Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0272
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
252

Medizinische Studiengenossen.

Aus diesem diagnostischen Mißgeschick zog Abdelkader die Lehre,
inskünftig die Leute erst auszufragen und dann die Diagnose zu stellen.
Als er wieder an die Reihe kam, erschien eine Bauersfrau und streckte
beide Hände gegen Abdelkader. Die Handgelenke waren verdickt, alle
Fingergelenke knotig verunstaltet, die Finger verkrümmt. Abdelkader
untersnchte diesmal genau, betastete beide Hände und alle Gelenke,
überlegte und fragte: „Frau, hat Sie die Gicht gehabt?" — „Jch
hab' sie noch!" bestätigte die Alte.

Was mag aus Abdelkader geworden sein? fragten wir uns später
bisweilen im Kreise der alten Kommilitonen. Endlich, nach langen
Jahren, erfuhren wir seine Schicksale. Er war in russische Dienste
als Militärarzt getreten, die Tscherkessen hatten ihn gefangen und vor
Schamyl, den gefürchteten Feind der Rnssen, geführt. Er bangte für
sein Leben. Prüfend richtete der Fürst seinen Adlerblick auf den Doktor,
jedoch nicht lange. „Laßt ihn laufen!" rief er, „er kehre zu den
Moskowitern znrück, dort wird er uns nützlicher sein!"
 
Annotationen