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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0331
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Der Fruhling 1847.

^ls der Frühling in das Land kam, sah ich wieder frisch in
die blühende Welt und behauptete, das Wonnegefühl der Wieder-
genesnng wiege die erduldeten Leiden auf. Was ich vor meiner Krank-
heit achtlos und ohne Dank hingenommen, den freien Gebrauch der
Glieder und der Organe zum Atmen und Speisen, oder nachts die be-
qneme Lage und den ruhigen tiefen Schlaf, all das war mir jetzt
unsäglicher Genuß.

Mit Freude begrüßte ich die Freunde, die im Herbste nach
Paris gegangen waren und heimgekehrt mich jetzt besuchten, darunter
Eduard Bronner, alle elegant gekleidet, wie ich sie nie gesehen, nach
der neusten Pariser Mode. Neugierig lanschte ich ihren Schildernngen
des modernen Babylon, seines Lebens und Treibens, seiner Paläste,
prächtigen Straßen, Plätze und Lustgärten, seiner berühmten Aerzte,
Gelehrten und Staatsmänner. Sie rühmten den freien patriotischen
Sinn der Franzosen, ihr freundliches Entgegenkommen, ihre ge-
fälligen Umgangsformen. Über die politische Stimmung Frankreichs
gaben sie ernsten Bericht. Der Thron des Bürgerkönigs Louis
Philippe stand nicht sest, Mißgrisfe und Unwürdigkeiten in der inneren
und äußeren Politik, vor allem aber die Habsucht des Königs, hatten
die öffentliche Meinung erbittert und ihn um Achtung und Ansehen
gebracht. Schlechte Ernten mit Verteuerung der Brotes drückten auf
die Stimmung der Massen, die Käuflichkeit einzelner hohen Staats-
beamten und fnrchtbare Verbrechen in den obersten Schichten der Ge-
sellschaft regten die niederen, der politischen Rechte beraubten Klassen
 
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