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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0345

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Lola Montez.

325

die Kaiserm Witwe von Brasilien und ihre Tochter beehrten die Vor-
stellung mit ihrer Gegenwart, die Taglioni tanzte. Lola saß in einer
Loge ersten Rangs, an die Brnstung gelehnt, gut sichtbar. Der König
und sie klatschten den meisten Beifall. — Am folgenden Tage sah ich
sie ganz in der Nähe, von Angesicht zu Angesicht. Der Weg führte
mich durch die Barer-Straße an dem Hause vornber, das ihr der
König geschenkt haite. Sie saß am Fenster zu ebener Erde, den Blick
abwärts gerichtet. Jch erkannte sie, blieb stehen und prüfte ihre Züge
aufmerksam. Sie glich genau dem Bilde in der Schönheitsgalerie,
war wirklich reizend, hatte schwarze Haare und tiefblaue Augen.
Plötzlich bemerkte sie mich, lachte und verließ das Fenster.

Wer weiß heute noch viel von Dolores Montez? — „Wenn
die Dolores vorbei sind, hören die Schmerzen auf," witzelten die
Münchner fliegenden Blätter, nachdem ein allerhöchster Befehl die
Gräfin Landsberg am 11. Febrnar 1848 gezwungen hatte, binnen
einer Stunde abznreisen und das Land zu verlassen. Der Hexentanz
war zu Ende; ein Aufruhr, geschürt und ausgenützt von den Ultra-
montanen, hatte den König genötigt, sie preiszugeben. „Hieße
sie Loyola Montez," grollte er, „so wäre alles still geblieben." Am
20. Februar legte er im 61. Jahre seines thätigen Lebens, des Re-
gierens müde, das Scepter nieder mit dem Geständnis: eine neue,
ihm fremde Zeitrechnung habe begonnen. Sein edler Sohn, Maxi-
milian II., ergriff es mit der Versicherung: „dieser Zeit Gebote zu
verstehen und auch zu vollbringen," und hielt Wort.

Die Ausgewiesene spielte sich auf als Befreierin Baierns aus
den Banden der Ultramontanen. Sie hielt Vorträge in der alten
und neuen Welt, fchriftstellerte über die Kunst, die Schönheit zu er-
halten, verheiratete sich noch mehrmals, wurde schwindsüchtig, gelähmt,
bußfertig und starb im Elend zu Greenwood bei New-Iork. Auf
ihrem Grabsteine steht geschrieben:

,,Ni'8. Hli^n dildsick, dioä äaiiiini'^ 17, 1861, NAsä 42 ^oni^T

Diese wenigen Worte lassen nicht erraten, wer die Eliza Gilbert
war, deren Gebeine unter dem Rasen modern. Verständlicher wäre
die Aufschrift: „Wanderer, störe den Schlummer der müden Tänzerin
nicht, die hier ruht. Sie war die ausgelassenste ihres Jahrhunderts:
Do1on68 NoiUo^T
 
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