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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0344

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324

Lola Montez.

und das baierische Heimatsrecht. Der Minister mußte gehen nnd
Lola stieg von den Brettern, die nur die Welt bedeuten, auf die
wirkliche Weltbühne. Ein Hexensabbath ging in der baierischen Haupt-
stadt los. Bisher hatten die Münchner sich nur beim Bierwalzer
gedreht, jetzt schwenkten sie sich im raschen Tempo des Bolero und
Fandango. Wenn die Tänzerin mit den Castagnetten klapperte, hüpfte
Jung und Alt. Auch den Pöbel erfaßte der Taumel und der Thron
begann in den Fugen zn knarren. Nur die Geistlichkeit Hielt sich fest
auf den Beinen nnd wartete die rechte Zeit ab, um den Zauber zn bannen.

Wie man sich denken kann, war unsere Neugierde, die schöne
Ciree zu sehen, groß. Zweimal war die Gelegenheit mir günstig, ihr
Blld, und zweimal, sie selbst zu betrachten.

Maler Sudler hatte uns in Kaulbachs Atelier geführt. Der
berühmte Künstler hatte Lola auf des Königs Geheiß gemalt und ihr
einen widrigen Ausdruck gegeben. Der König war darüber entrüstet
und verschwieg sein Mißfallen nicht: „Kaulbach, Sie haben eine Gift-
mischerin gemalt und nicht die Gräfin Landsberg!" — Es ließ sich
nicht lengnen, das Bild Kaulbachs schmeichelte ihr nicht.

Dagegen war das Porträt gelungen, das Stieler gemalt hatte;
es hing unter den Frauenbildern der Schönheitsgalerie im Festsaalbau
der Residenz, der Betrachtung des Publiknms zugünglich. Hier nahm
ich es mit Freund Bronner in Augenschein. Wir eilten hinter dem
Lakaien, der mit der ganzen Würde eines königlichen Bedienten dem
Schwarme der Besncher vorausging, in raschem Trabe durch die Säle.
Plötzlich stockte in der Galerie der Zug und drängte sich auf einen
Knüuel zusammen. Der Führer verweilte, bis sich alle um ihn ge-
sammelt, deutete auf eines der Bilder und rief mit sonorer Stimme
respektvoll: „Sennora Dolores Montez, Gräfin von Landsberg".
Niemand wollte sich von dem Bilde trennen, aber der Führer schritt
weiter, der Zug setzte sich wieder in Bewegung, immerhin war es
uns beiden gelungen, das Portrüt genügend zu betrachten. Sennora
Montez erschien uns wirklich würdig, unter diesen ausgewählten Schönen
als eine der reizendsten zn prangen.

Jn Person sahen wir den Gegenstand der allgemeinen Neugierde
zuerst im Hoftheater. Der König, die Herzogin von Leuchtenberg,
 
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