Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0471

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Kandern.

^bald nachdem ich die Armee verlassen hatte, speiste ich eines
Tags an der Tafel des Badischen Hofs in Baden-Baden und kam
einem biederen Ehepaar gegenüber zu sitzen, das aus Holland den
Rhein heranfgefahren war, um sich ein wenig in der Welt umzusehen.
Einige Schüsseln, die der Kellner auftrug, waren den guten Leuten
fremd und der Gatte that sein Möglichstes, die teuere Ehehälfte über
die Natur der unbekannten Gerichte zu belehren. „Was sind das für
Fische?" fragte er, als ihm Forellen gereicht wurden. „Forellen, mein
Herr!" Er fand sie gut und erklärte der Gattin: „Die Forelle ist
ein Fifch, den wir in Holland nicht kennen, aber es ist doch ein guter
Fisch!" — Es kamen Artischocken. „Was ist das für ein Gemüse?"
— „Es sind Artischocken." — Mit Messer und Gabel machte er sich
daran, die äußeren stacheligen Blättchen zu zerteilen, brachte wirklich
ein Stück davon in den Mund nnd zerstach sich die Zunge. Darauf
legte er die Gabel nieder und belehrte die Gattin, die abwartend zu-
geschaut hatte: „Artischocken sind ein italienisches Gemüse, nicht an-
genehm, aber interessant zu essen."

Die Szene gemahnte mich an meine militärischen Erfahrungen.
Jch hatte Stacheln im Heerdienst gefunden, doch Jnteressantes erlebt.
Ohne mich zu grämen, hatte ich den Degen abgelegt, meinen Schiff-
hut verwahrte ich als kostbare Reliquie einer glänzenden Vergangen-
heit in sicherem Schrein, und bewegte mich wieder in bürgerlichem Ge-
wand, das mich weniger schön, aber bequemer kleidete.

An der Schlei und der Eider hatte ich oft sehnsüchtig der herr-
 
Annotationen