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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0409

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Die Prager Fakultät.

Idir waren nicht wenig überrascht, Prag weit mehr als Wien
von jungen Aerzten besucht zu finden, die aus allen Teilen Deutschlands,
aus der deutschen Schweiz und Holland zu ihrer weiteren praktischen
Ausbildung dahin gekommen waren. Jn großer Gesellschaft begrüßten
wir in der Sylvesternacht das neue Jahr 1848, das den Völkern so
viel versprach und so wenig hielt.

Bald wurde uns klar, warum die Prager Fakultät, obwohl sie
streng genommen nur ein!'Filiah der Wiener Schule war, der Wiener
Fakultät den Rang abgelaüfen hatte und ihr zu Studienzwecken von den
reisenden Aerzten vorgezogen wurde. Sie kam ihren Bedürfnissen in
liebenswürdigster und sachverständigster Weise entgegen und hatte eine
Menge guter praktischer Kurse für sie eingerichtet, nur Hebras vor-
züglicher Kurs über Hautkrankheiten fand in Prag nicht seinesgleichen.
Auf einem wichtigen Gebiete der Heilkunst war Prag Wien sogar weit
voraus, es besaß eine neue, musterhaft gebaute und geleitete Jrrenanstalt,
worin psychiatrischer Unterricht erteilt wurde, während in Wien noch
immer, zum Skandal der fremden Besucher des allgemeinen Kranken-
hanses, das Geschrei der Jrren aus den kleinen vergitterten Fenstern
des Narrenturms in den Hof vor dem Leichenhause hinabschallte. Auch
verdiente die Fakultät den Dank der zugereisten Aerzte durch die Er-
laubnis, die sie ihnen bei der Gesellschaft der Prager Aerzte erwirkt
hatte, deren Lesezimmer unentgeltlich zu benützen. Es lagen darin
viele medizinische Zeitschriften auf und war eine kleine Bibliothek da-
mit verbundcn. Jch habe hier viele Abendstunden zugebracht und die
 
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