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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0369

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In der Alservorstadt.

^ls Kinder sangen wir gerne das Lied:

„'s giebt nur a Kaiserstadt, 's giebt nur a Wien,

Ah! da muß es prächti sein, da möcht' i hin."

Begierig lauschten wir den Schildernngen der fernen Kaiserstadt an
der blauen Donau. Jn unsrer kindlichen Phantasie war sie ein end-
loser Prater, am Stromufer hingestreckt, durchflutet von unzähligen
geputzten Menschen, ein herrlicher Lustgarten mit Wurstel- und Tanz-
buden, beim Klange des lieben Augustin drehten sich die lustigen Wiener
nnd überall winkten an gedeckten Tischen Gläser mit goldnem Wein
und Schüsseln mit Backhändln und süßen Krapfen, man durfte nur
zugreifen, es war gerade wie im Schlarafsenland.

Bald wurden wir gelehrte Gymnasiasten und lasen Schiller, auch
seine Tenien, und wußten genau, wen unser großer Dichter mit den
Phäaken an der Donau meinte:

„Mich umwohnt mit glänzendem Aug' das Volk der Phäaken,

Jmmer ist's Sonntag, es dreht immer am Herd sich der Spieß."

Es kamen die akademischen Jahre. Zn Kommers und Tanz er-
klangen die melodischen Weisen der Lanner und Strauß, auf der Bühne
ergötzte uns die naive, heitere Muse der Raymund und Nestroy.

Jetzt waren wir als jnnge Aerzte in der Kaiserstadt eingezogen,
begierig, zu sehen, zu genießen, und vor allem zu lernen, bei den großen
Meistern medizinischen Wissens reiche Schätze zu sammeln. Wien aber
 
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