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Kussmaul, Adolf
Jugenderinnerungen eines alten Arztes — Stuttgart, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.15258#0397
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Die junge Wiener Schule.

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rufe Virchows, um die auatomische Forschung in die ihr gesteckten
Grenzen znrückzubringen.

Wie Rokitansky das anatomische Haupt der jungen Wiener Schnle
geworden ist, so wurde sein Schüler Skoda ihr klinisches. Er verdankt
seinen Weltruf den großen Verdiensten, die er sich um die physikalische
Diagnostik erwarb, er schuf den wissenschastlichen Boden, auf dem die
Perknssion und Auskultation beruhen, die bisher nur grob empirisch
geübt wurden, und hat sie überdies mit wertvollen neuen Zeichen be-
reichert. Dadurch hat er die Pathologie der Atem- nnd Kreislaufs-
organe ungemein gefördert. Stndenten und Aerzte strömten nach Wien,
um bei ihm die Knnst der physikalischen Diagnostik und ihre sichere
Verwertung zu erlernen. Er dirigierte seit 1840 eine eigene Abteilung
für Brustkranke, wurde 1846 zum Prosessor ernannt und mit dem
klinischen llnterricht betraut. — Jch will es versuchen, die Reform,
die wir Skoda auf dem Gebiete der physikalischen Diagnostik verdanken,
dem nicht medizinischen Leser verständlich zu machen.

Laännec und seine Schüler waren bestrebt gewesen, mit Hilfe
des Beklopfens uud Behorchens der Wände des Körpers Zeichen auf-
zufinden, die ohne weiteres bestimmte Krankheiten so kenntlich machen
sollten, wie etwa das Zirpen die Grille oder der Wachtelschlag die
Wachtel anzeigt. Das Tuberkelknacken sollte die Tnberkeln der Lunge
verraten, das Knisterrasseln den Beginn oder die Lösung der Lungen-
entzündnng, das Reibegeräusch die Entzündung von Brust- oder Herz-
fell. — Skoda zeigte das Verkehrte dieses Vorgehens, das nicht selten
zu Jrrtümern führte. Wenn die Schallerscheinungen vom normalen
Verhalten beim gesunden Menschen abweichen, so bedeutet dies an sich
zunächst nichts als ein veränderteschhysikalisches Verhalten der Organe,
von denen sie ausgehen. Streng genommen ist deshalb die nächste
Aufgabe der diagnostischen Verwertnng der aknstischen Symptome
die: festzustellen, was für physikalische Veränderungen an diesen Or-
ganen vor sich gingen. Die zweite Aufgabe besteht sodann darin, die
anatomischen Organveränderungen zu bestiinmen, die den physikalischen
zu Grunde liegen. Zuletzt erst kommt es zur Diagnose der Krankheit,
die zu den anatomischen Veründerungen führte. Ein einfacher Schluß
aus dem akustischen Symptom unmittelbar auf die Krankheit ist nicht
 
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