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Laban, Ferdinand
Der Gemüthsausdruck des Antinous: ein Jahrhundert angewandter Psychologie auf dem Gebiete der antiken Plastik — Berlin, 1891

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https://doi.org/10.11588/diglit.11397#0048
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— 4° —

Paul Hertz.

Italien und Sicilien. Briefe in die Heimath. Berlin 1878.

(159, Antinous in Neapel:) »Der schöne Jüngling"
wandelt schwermüthig, mit gesenktem Haupte dahin,
tief in Gedanken versunken. Den einen Arm erhebt
er ein wenig, wie Jemand, der, die Aussenwelt ganz
vergessend, mit sich selbst spricht. Reift in ihm eben
der Beschluss, für seinen geliebten Kaiser Hadrian in
den Tod zu gehen? Was ich an dieser Statue ausser
ihrer Formenschönheit so sehr bewundere, ist die Ge-
nialität, mit welcher der Künstler seine schwierige Auf-
gabe erfasst und ihr die dankbarste Seite abzugewinnen
gewusst hat. Hier handelte es sich nicht um einen Gott,
einen Heros oder einen berühmten, durch seine Thaten
charakteristischen Mann, sondern um das Bildniss eines
unbedeutenden Jünglings, den nichts auszeichnete, als
seine Schönheit, die Liebe des Kaisers, und die Treue,
mit welcher er sich für ihn opferte. Kein charakte-
ristisches Attribut, keine bezeichnende Geberde erleich-
terte dem Künstler die Aufgabe.«

(193 f., capitolinische Statue, die Hertz für einen
Hermes hält:) »Wie der Antinous in Neapel wandelt
er schwermüthig . dahin, das Haupt noch weit mehr
gesenkt als jener, die Linke wie im Selbstgespräch
erhoben. Der Zug der Trauer, welcher Stellung und
Geberde beherrscht, ist so lebhaft ausgeprägt, dass mir
die Deutung als Athlet ausgeschlossen scheint. Was
sollte bei einem solchen diese tiefe Trauer? Es ist
wohl sicher ein Hermes, und zwar in seiner Eigenschaft
als Todtenführer. Ergriffen und niedergedrückt von
dem Ernst seines Amtes als Todesbote und Führer zum
Hades geht er in tiefem Sinnen dahin . . . Fragt man
 
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