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gethan, wie vor ihm schon Immanuel Weber (Anti-
quitates Antinoi. Ed. 2, 1707), ohne sich darum doch
bei seiner Beurtheilung des Gemüthsausdruckes der
Antinous-Bildnisse davon beeinflussen zu lassen. Mit
viel grösserem Rechte wird man, in Vertretung des
todten Levezow, Dietrichson den Vorwurf zurückgeben,
er habe, als Partei, als Tugendanwalt, als einer, der
Antinous zwar nicht gerade zum Gotte aber doch min-
destens zum Heiligen erheben will, sich unbedachtsamer
Weise in eine schwache Position begeben. Man wird
sagen können, er habe, vor den Antinous-Bildnissen
stehend, oft nicht nur ein, sondern beide Augen zuge-
drückt, bloss um gewisse Dinge nicht erblicken zu
müssen, welche der Gegenpartei, der er nun einmal
den Garaus zu machen beschlossen hat, Argumente
zu liefern scheinen.
Wir bringen dies Alles vor nicht deshalb, weil wir
die Ansichten, die Dietrichson über den Gemüthsaus-
druck des Antinous äussert, als irrige hinstellen wollen.
Im Gegentheil, dieselben Ansichten trafen wir vordem
schon vielfach bei anderen an und Hessen sie gelten,
wie überhaupt alle Ansichten, als relative Wahrheits-
momente. Aber dort nahmen wir sie jedesmal hin als
unverfälschte Zeugnisse eines objectiven Schauens. Es
lag keinerlei Grund vor, anders über sie zu denken.
Und als solche uninteressierte Zeugnisse sind sie uns
werthvoll und wollen wir sie bei unserer späteren
Untersuchung des Problems, worin die Verschiedenheit
der Urtheile über den Gemüthsausdruck des Antinous
ihren Grund habe, gehörig berücksichtigen J).
') Es ist in der Gelehrtenrepublik üblich, dass jede Wahrheit nach
ihrem Finder getauft werde. Und das gilt nicht bloss von den grossen,
gethan, wie vor ihm schon Immanuel Weber (Anti-
quitates Antinoi. Ed. 2, 1707), ohne sich darum doch
bei seiner Beurtheilung des Gemüthsausdruckes der
Antinous-Bildnisse davon beeinflussen zu lassen. Mit
viel grösserem Rechte wird man, in Vertretung des
todten Levezow, Dietrichson den Vorwurf zurückgeben,
er habe, als Partei, als Tugendanwalt, als einer, der
Antinous zwar nicht gerade zum Gotte aber doch min-
destens zum Heiligen erheben will, sich unbedachtsamer
Weise in eine schwache Position begeben. Man wird
sagen können, er habe, vor den Antinous-Bildnissen
stehend, oft nicht nur ein, sondern beide Augen zuge-
drückt, bloss um gewisse Dinge nicht erblicken zu
müssen, welche der Gegenpartei, der er nun einmal
den Garaus zu machen beschlossen hat, Argumente
zu liefern scheinen.
Wir bringen dies Alles vor nicht deshalb, weil wir
die Ansichten, die Dietrichson über den Gemüthsaus-
druck des Antinous äussert, als irrige hinstellen wollen.
Im Gegentheil, dieselben Ansichten trafen wir vordem
schon vielfach bei anderen an und Hessen sie gelten,
wie überhaupt alle Ansichten, als relative Wahrheits-
momente. Aber dort nahmen wir sie jedesmal hin als
unverfälschte Zeugnisse eines objectiven Schauens. Es
lag keinerlei Grund vor, anders über sie zu denken.
Und als solche uninteressierte Zeugnisse sind sie uns
werthvoll und wollen wir sie bei unserer späteren
Untersuchung des Problems, worin die Verschiedenheit
der Urtheile über den Gemüthsausdruck des Antinous
ihren Grund habe, gehörig berücksichtigen J).
') Es ist in der Gelehrtenrepublik üblich, dass jede Wahrheit nach
ihrem Finder getauft werde. Und das gilt nicht bloss von den grossen,