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Lachen links: das republikanische Witzblatt — 1.1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.8803#0019
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Der Ochse

In Ncu-Piepenkietz am Krebs-
bach passierte eine seltsame Ge-
schichte. Ein Ochse hatte sich
losgerissen und raste verheerend
durch die Straßen. Der Eierstand
der Witwe Nupke an der Ecke
Laugeslraße - Breitestraße ward
vernichtet. In der Friedrich-
Wilhelm-Straße ward der Pen-
sionierte Nechnungsrat Lehmann
überrannt. Dann stürmte das
Biest in das Schaufenster
des Militäreffektengeschästs von
Vumke & Söhne, wühlte Böcke,

Mützen, Litzen, Koppel durch-
einander und bei dieser Ge-
legenheit geschah cs, daß ein
Stahlhelm sich in seinem Gehörn
verfing. Also geziert, rannte der
Brille weiter, die Cäcilicnstraße
hinunter, auf den Marktplatz von
Ncu-Piepenkietz, wo er nach
kurzem Schwanken die Richtung
arrfs Rathaus nahm.

In diesem Augenblick trat der
Bürgermeister aus dem Tor der
städtischen Thingskäkte..

Bitte also: der Bürgermeister
von Neu - Piepenkietz auf der
einen und ein mit Stahlhelm gc-
schnrückter Ochse auf der andern Seite.

Lind da sagte der Bürgermeister, indem
er bcu Put zog: „Die Stadt wird sich allen
Ihren Anordnungen durchaus fügen!"

„Der St' ist als Minister ganz unmöglich."

„Warum? — Bestechlichkeit? — Schmutzige Geschichten?"
„Schlimmer. Er hat als junger Mann einen Band Verse vcr
öffentlicht und treibt in seinen Mußestunden Acslhctik!"

Das Reich der Unbegreiflichkeiten

„Einen Atisflug in die übersinnliche Welt
wollen wir machen, meine Herrschaften",
sagte der Leiter unseres intimen Zirkels,
„das Reich der Linbegrcislichkeiten wollen
wir betreten, von dem die Skepsis behauptet,
es sei alles nur eine Täuschung. Meine

öcit Llldendorff ist Reichstaqskandidat,

Wählt Llldendorff, wählt Ludendorff!

Wen je ein Leutnant in den Ämtern trat.
Wählt Ludendorff, wählt Ludendorff.

Ilnö wer im Krieg das Augenlicht verlor,
Wählt Ludendorff, wählt Ludendorff,

Wen Gas zerfraß, wein Pand und Fuß erfror.
Wählt Ludendorff, wählt Ludendorff.

Wer ganz verrückt ist nach dem alten Drill,
Wählt Ludendorff, wählt Ludendorff,

Lud wer den Krieg noch mal erleben null.
Wählt Ludendorff, wählt Ludendorff.

Wem der Gedanke nichts an Weib und Kind ist.
Wählt Ludcudorff, wählt Lndendorff.

And wer ein völlig ausgewachsenes Rind ist.
Wählt Ladenden ff/ Mich, von vindenhecln

Herrschaften, es gibt mysteriöse
Dingel Sehen Sie, ich nehme
beispielsweise diesesStückPapier,
unpräpariert, unbeschrieben, wie
Sie sehen, ich ergreife eine Feder
und schreibe darauf die mystischen
Buchstaben

I-N-F-L-A-T-I 0-N
bringe das Papier in Beziehung
zu einer Rotationspresse und
sofort erscheint . . ."

Die Gestalt eines Generals
wurde unter uns sichtbar.

Viele erstaunten. Ich nicht.
„Erlauben Sie", sagte ich zu dem
Experimentator, „das ist doch
schließlich noch kein Beweis für
die Existenz der von Ihnen be-
haupteten Llnbegrciflichkcitcn."

„Na, wissen Sie —, nu sein
Sie so gut . . ." protestierte cs
von allen Seiten.

„Meine Perrschaftcn", ver-
suchte ich zu übertöncn, „der da
ist doch kein toter Mann!"

Aber milde lächelnd nahm
der Experimentator das Wort:
„Meine Herrschaften, definieren
wir-: tot ist ein Mann, wenn er
einer Sphäre angehört, zu der
die lebendige Welt keine Be-
ziehungen mehr hat. Wenn nun jene Sphäre
eben sich manifestiert, dann kommt es zu
jenen Llnbegreiflichkeitcn, von denen wir
sagen, daß —"

Ich bekannte mich geschlagen.

*

Jean Baptist Sigl, der klassische
Prcußenhasser, richtete seine Satire auch
gegen den bayerischen Landtag. Er verglich
ihn einmal mit dem National-Thcatcr; dort
sehe man den Mottl und höre den Tri-
stan — im Landtag sehe man Trottel und
höre den Mist an.

Die Entlassung

„Die Haltung dcrArbeitcrschaft im Ruhr-
kampf war tadellos. Leider hat dieser Euch . . . daß ich jetzt dem größten Teil von Euch eine Erholungspause gönnen muß!"

und Eure Gewerkschaften so geschwächt. . .

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