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Lachen links: das republikanische Witzblatt — 1.1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.8803#0591
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Fortsetzung von Seite 581.

in Lülle und Fülle . . . Gib nur einen
Teil davon her und ich bin gerettet . . ."

Der König bekam nach dieser Rede eine
finstere Miene und befahl, das Vaterland
sofort aus seiner Residenz zu entfernen. —
Es regnete auf den Straßen. Es pfiff
ein kalter Wind. Kein Mensch war zu
sehen. Allein stand das Vaterland, frierend
und verlassen. Es weinte.

Llnd endlich ging es weiter, lange Straßen
hindurch und immer weiter. Es wollte
keinen Menschen mehr anreden. Aber als

der Regen immer stärker wurde, trat es in
eine Kirche, die am Wege stand, und da
es sah, daß der Pfarrherr in der Sakristei
stand, ging es zu ihm und sprach: „Loch-
würdiger Lerr, ich bin das Vaterland, ihr
habt gewiß ein Lerz, helft mir! . . . Ich bin
bettelarm, und soviel ich an eurem Leibes-
umfang sehe, leidet ihr keine Not . . .
Könnt ihr mir nicht helfen?"

„Lm," räusperte sich der Pfarrer ver-
legen, „ja, ich will dir einige Kleider
geben und einen Schirm, daß du weiter
kannst."

„Nein," erwiderte aber das Vaterland,
„so mein ich' das nicht! . . . Ein Opfer
will ich, hochwürdiger Lerr! Mit einem
Regenschirm und trockenen Kleidern ist mir
nicht geholfen."

„Ein Opfer?" fragte der geistliche Lerr
verblüfft. „Nein, das kann ich nicht!
. . . Wir von der Kirche opfern nur Gott!"

And nach diesem letzten Mißlingen trat
das Vaterland wieder aus der Kirche, ganz
ohne jede Löschung. Patschnaß war es.

„Ist denn das Vaterland nur da, um

Schluß aus der Ntzten Seite.

Das ist Schutzzoll,

Zeichnung von Lerbert Anger

wovon soll er auch schließlich seinen t^ekt bezahlen!

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