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Lachen links: das republikanische Witzblatt — 1.1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.8803#0607
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MODERNE GKOSSTADTBALLAÖE

eine Schäferin, eine Quarrpuppe,
ein Paar

prächtige, gefütterte, perlenbestickte
Pantoffeln,
sechs Pfefferkuchen
und

an einem bestimmten Platz, unter einem gewissen Teller, für eine Gewisse,

der

dann das Lerz schlug,

einen harten, eingewickelten, sorgfältig blankgeputzten Taler —

zwei

Glückliche!

Bis

an einem blauen, frühen, unbarmherzig schönen Maitag,
die

Luft schwamm lau,

die zarten, lichten, rührend rosa Mandelbäumchen in allen Vorgärten

blühten,

nach Werder dampften Extrazüge,
ein

winzig-glühend täppisches Metalltröpfchen, das ihm durchs Auge, zischend, ins Gehirn sprang,

die

ganze kleine Herrlichkeit
mit. . . einem
Ruck

Jetzt

ist das . . . alles . . . anders.

Abends,

wenn die rote Lampe brennt,
kommen fremde Lerren in das Stübchen;
alte, junge,
wies grad trifft.

Du

lieber Gott — das Leben!

Das

harte, grause,
bittere,

schwere, mitleidslos entsetzliche!

Nur

manchmal.

wenn der Regen draußen . . . wie . . . wütend auf die Dächer peitscht,

nachts,

kein Mensch ist mehr wach:
mit

schütternden Schultern, schmerzdurchwühlt,
den Kopf in die Arme, die Arme quer über den Tisch,
auf dem Sofa, weggeschleudert, liegt die nasse Straußenfederboa,

an

der Erde,

auf dem bunten, billigen,

kreischend-kirschrot-plackengrundig schäbigen Abzahlungsteppich,
schräg auf der Kante, hingeworsen, der herausfordernd geschmacklose Lut,

die

lange, blaue, geschliffene
Glasnädel

unter die neue, zweiteilige, nußbaumsurnierte Waschkommode

bis

in die letzte, dunkelste, staubigste Ecke,
gerollt,

die beiden Kleinen, unschuldig, schlafen in der Küche,
reuig,
zermartert,
verzweiselungsvoll,
sitzt

das traurig aufgeputzte,

erbärmlich verschminkte, elend zusammengebrochene
Weib . . . und . . . weint.

Der

tote Mann!

Das . . . gräßliche, furchtbare, grauenhafte . . . Dasein!

Die

armen . . . Kinder!

Arno Lolz.

Tausche«

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