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Lachen links: das republikanische Witzblatt — 2.1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.8804#0058
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Fauler Zauber

Lausball bei Gene-
raldirektor Kiekebusch.
Die Spitzen der Ge-
sellschaft sind versam-
melt. Löhepunkt des
Festes: Zaubervor-

stellnng des Lerrn
Bellachini. Bellachini
macht zur Einführung
einige kleinere Kunst-
stücke. Er läßt z. B.
den Inhalt der Por-
tefeuilles sämtlicher
Gäste verschwinden,
den man nachher in der
Tasche des Lausherrn
findet, was eigentlich
nichts Außergewöhn-
liches ist. Dann zau-
bert er aus der Tasche
des Grafen X einen
silbernen Löffel hervor,
was allen großenSpaß
macht, nur nicht dem
Grafen X, denn er
wurde nichtwieder ein-
geladen. Danach kommt
es zu interessanten, ge-
radezu unglaublichen
Verwandlungen.

Bellachini (be-
steigt einen Stuhl und
schwingt seinen Stab):
Achtung, meine Lerr-
schaften, passen sie auf,
Hokuspokus — knack!
Lier sehen Sie einen
Landgerichtsdirektor -
sehen Sie ihn? — Gut
get offen, nicht? Ich
werde ihn jetzt in einen
Juristen verwandeln:
— eins — zwei — dr —
Stimmen aus dem
Publikum: Auf kei-
nen Fall, verbitten wir
uns! Die nationale

Die völkische Salome oder der umgekehrte Effekt

Zeichnung von Lutz Ehrenberger

. . . und wie er nun seine Kleider abtat und vor allem Volk tanzte um das Äaupt,
so er begehrte, da sprachen sie alle untereinander: Lasset uns ihm geben siebenzig
mal sieben Schleier, auf daß er bedecke die Blöße seines Bauches, denn es ist
nicht auszustehen sein Anblick und schauderliches Getue!

Würde muß gewahrt
werden! Machen Sie
sonst was!

Bellachini: Gut,
meineLerrschaften, et-
was anderes. Z. B.
Hokuspokus — kate-
chismus — knack! —
sehen sie, hier steht ein
Pastor. Ich werde
diesenjetzt spaßeshalber
mal in einen Christen
verwandeln. Passen
Sie auf (murmelt
dumpf) eins — zwei

— sehen Sie, wie er
sich sträubt, aber jetzt

— drei! Ah! Nun
bitte, ein Christ, wie
er im Buche steht! Ich
gebe ihm jetzt einen
Streich auf die rechte
Backe und er hält —
autsch!, er hat zurück-
gehar.en. Nichts zu
machen! Na etwas an-
deres. — Sehen Sie
jetzt diesen herrlichen
Gobelin? Prachtvolle
Arbeit, raffiniert ge-
webt, altpreußische
Motive, wie? Stellt
dar: dienationaleMo-
ral. Sie sehen sie in
heftiger Erregung über
die Barmazeuten und
mit Recht, nicht wahr?
Nun streiche ich dar-
über und mache ihn
durchsichtig — was
sehen Sie jetzt? Einen
deutschen Geldsack, in
den englische Pfunde
fließen. And dort eine
Grube, in die Blut
fließt. Krupp'scheTan-
tiemen und deutsches
Soldatenblut. Vater-

B ALL I» E R HOCHFINAXZ

Nun kracht das Lirn (?) der Lautevolee aus allen Nähten.
Der Spießer rülpst, macht Kassa, überschlägt sein Geld.
Plakate, Inserate, rauchen: „Auf mein Volk! Rin in die Feten!
Was kost' die Welt?!"

Die Schönheitsbranche blüht — faßweise Puder, Düfte, Schminke!
Raus mit die Fracks und Smokings — Leihamt! Alles — bong!
Die Lautevolee kauft Seide und Brokat. Was heißt hier
Pinke?!

Jetzt ist Säsong!

Die hemdgestärkten, nackthochkultivierten Brüste singen's.

And hochumstapelt schalt die Lochfinanz sich aus dem schnieken Seal.
Der Eintritt 30 Emm! Was ist das schon? „Die faulen
Penner bringen's!"

Ne' Mille? — Pöh! ’vt Pappenstiel!

Monocle fest! Wie nur die Mä'chen quieken! Rin in'n Laden!
Die Jazzband rummelt. Lachen klirrt. Ein Gatte sucht die
Gattin Mimi!

Le Ober — bring'» Se Sekt! And Lummer! Aber dalli! Fort
mit Schaden!

Licht aus! Kapelle! Friederikus! Shimmy!

Wen sticht ein Floh, daß dutzendweise dunkle Existenzen krachen —

Nu' wenn schon! Warum soll er nicht! Man hat Glacees,
ein dickes Fell!

Wer denkt noch an die Somme und an Köln und sone miese Sachen!

Man post und feixt traditiosexuell.

Bis früh um fünfe! Abschiedsgähnen vor den grauen Toren.

Im Rinnstein keucht ein Gent. Der Mond betastet zage ein Korsett.

Das ward (nicht nur allein!) in einem Korridor verloren.

Es war — sehr — nett!

And müde steigt man — hupp — ins Auto, pfeift — hupp —
„Deutschland über Alles!",

schnauzt den Chauffeur an, fährt — hupp — etwas seekrank
schon nach Laus —

und kümmert sich den Teufel, ob das Volk ringsum im Dalles —

„man" schläft sich dennoch aus! Joses Maria Frank.

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