Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Lachen links: das republikanische Witzblatt — 2.1925

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.8804#0063
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Der neue M arx

Reichskanzler Marx
war müde, hundeleben-
müde.

Wieder hatte er den
ganzen Tag hausiert,
um eine Regierung zu
bilden.

An die Türen aller
. Parteien klapste er, aber
trotzdem hatte er keinen
Erfolg errangen.

Gähnend ging er in
die reichskanzlerische
Baba und friedlich
schlief er ein.

Da träumte er, das
Himmelsgewölbe öff-
nete sich und das ehr-
würdige Laupt von
Karl Marx beugte sich
zu ihm herunter.

Immer näher und
immer näher kam es,
und plötzlich hörte er
eine Donnerstimme:

„Namensvetter, du
mußt es umgekehrt ma-
chen wie ich, du mußt
dich nicht sovielmitdein
Kapital beschäftigen."

Der irdische Marx
erwachte, überlegte nicht
lange, handelte so, wie
er träumte, ließ alle ka-
pitalistischen Parteien
„rechts" liegen und be-
kain seine Negierung
zusammen. Meint Ihr?

Leider ist dies alles
nur ein Traum. Wenn
er auch sehr schön ist.

Zeichnung von Alois Zloralh

'OALiTiow

Daß Lerr Stresemann ausgerechnet die Läßlichste auffordert . . .!

Das Macht-
verhältnis
BankierMoritz Gold-
regen besucht mit seiner
Gattin die Oper. Im
Gedränge der Garde-
robe rempelt ein schie-
bermäßig eleganter Ka-
valier Goldregen an.
Dieser rührt sich nicht.
DerKavaliertnttGold-
regen auf einen kukirol-
frcien Zeh. Goldregen
rührt sich noch immer
nicht. Der Kavalier
klatscht Goldregens
Gattin auf den Lals.
Goldregen schaut weg.

„AberMoritz!" zischt
die gekränkte Ehehälfte
empört, „wie kannst du
dir das von dem Kerl
bieten lassen!"

„Pst, sei still. Der
Mensch hat mich völlig
in der Land."

Frau Goldregen er-
bleicht:

„Moritz, hast du
etwa unreelle Ge-
schäfte . . .?"

„Nein."

„Last du..sag'mir..
Hab' Vertrauen .. hast
du komische Neigun-
gen?"

„Ach wo, aber dieser
Mensch kann mit mir
machen, was er will!"

„Wieso, weshalb?"

„Er ist mir doch
eine Million schuldig!"

Hardy Worm: Witwenball

Mittwochs ziehn de Witwen Leine;
Seidne Strümpfe an de Beine,

Laar jebrannt. Det beste Sticke:
Schaufelkamin! hängt im Ienicke.
Rcjenschirm und Wachstuchtäschken,
Watte. Puder, Riechsalzfläschken —
Aller da, wat da sein muß!
Lüjelhafta Lochjenuß!

Ab Trumeau zum Sündenfall.

Eva auf dem Wuwenball.

Lmksum, rechtsum, polkan, schieben,
Shimmy, Jazzband nach Belieben.
Mit Iefiehl
Durchs Iewiehl.

Locken bammeln,

Strumpfband rutscht,

Liebe stammeln,

Abjelutscht,

Keß und knorke jeden Fall
Is man uff dem Witwenball.

Emma zieht 'ne schiefe Schippe
And riskiert 'ne scharfe Lipve:
„Denken wohl, ich bin so eine?
Kanz kelvöhnlich für ßwei Scheine?
Nee, bei mich ist nischt 51t machen,
Denn ick schwärm for lila Sachen."
And der Kafferlier haut ab
Durch die Miite, Polkatrab.
Meechens jibt et übaall.

Wozu is deirn Winvenball?
Schwarze, blonde, dünne, fette
Stehen hier nach Männern Kette.
„Danke schcen!"

Ab mit een.

Busen wackeln
Klassefraun.

Bloß nich fackeln,

Ranjchaun!

Sone Kiste, Waden prall
Iibts nur auf dem Witwenball.

59

„Liebling, Schnucki, Olly, Süße!"
„Mensch, hier kriejt man kalte Füße."
Pärchen wie Kartoffelsäcke
Locken in 'ner finstern Ecke.
Liebesschwüre. Lohe Töne.

Keene jloobt's, det is det schöne.
Schließlich endel's mit Radau,
denn der Witwentroß is blau.

Ab Trumeau zur Straßenbahn.
Alles sehnt sich nach den Kahn.
Polka nich! Aff Zehenspitzen
Durch den dustan Lausflur spritzen.
Trepven ruff
Mit Icknuff.

Endlich oben
Langa Kuß.

Kraft erproben,

Vorhang! Schluß!

Schwertgeklirr und Woqcnprall
Nischt seht üban Witwenball!
 
Annotationen