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Lachen links: das republikanische Witzblatt — 2.1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.8804#0066
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Zosephus: Monarchistische Vierzeiler

Ein König dort, ein König hier
sie kommen sacht zusammen,
um sich bei kühlem Flaschenbier
für Taten zu entflammen . . .

Es liefert den Willkommentrunk
ein Strese-Stehauf-Mannchen,
es tränkt die alten Kön'ge jung
aus väterlichen Kännchen . . .

Es regt sich in der Republik,
sie konunen schon gekrochen,
sie haben irgendwo ein Stück
von Monarchie gerochen . . .

Ich suche

Der Pastor fuchtelt mit dem Stock,
der Pastor selbst ist wild geworden!
es zähmt nicht mehr der fromme Rock
die fromme Lust, zu morden . . .

Es bügelt schon der Musketier
die Pose zur Parade,
schon gräbt der Veteran die Zier
der Orden aus der Lade . . .

Es blasen schon den Zapfenstreich
die heiseren Trompeten — —
die Demokraten rings im Reich
versenken sich im Beten . . .

dort — ich suche hier: wo ist die Re

Die Demokraten sind sehr fromm,
sie beten eine einz'ge Bitte:

Was auch noch kommen mag — es komm'
nur laß uns in der Mitte! . . .

Wir schlagen nicht, wir wagen nicht,
wir sagen nicht — wir zagen;
uns bleibt, wenn alles rings zerbricht,
das sittliche Betragen . . .

*

Kühl raschelt mit dem Blatt Papier
der Journalist, der dies geschrieben:

Den deutschen Kaiser brauchen wir,

Er werde aufgetrieben! . . .

% % * sjc % %

geblieben?

Gustav Strese manns Glück und Ende

Ein deutsches Trauerspiel in 5 Ulkten

1. Akt.

O r t d e r K> a n d l u n g: Die Reichskanzlei.
Zeit: August 1923.

Nach dem Abzüge der Kolonne Enno, die
just vor Aufgehen des Vorhanges in der Ver-
senkung verschwindet, herrschen iinRegicrungs-
viertel ein wüstes Durcheinander und der
neue Reichskanzler Gustav Stresemann. Dieser
steht in imposanter Pose in der Mitte der
Szene.

Es erscheint an der Spitze zahlreicher Be-
amten aller Gehaltsstufen von Gruppe 7 auf-
wärts :

Der älteste Staatssekretär:
Dem neuen Chef zu huldigen.

Sind wir mit frohem Äerzen da.

Perr Cuno läßt sich entschuldigen,

Er ist zu Schiff nach Amerika.

R e i ch s k a n z l e r Stresemann: Es
ssteht im Faust:

Im Anfang war die Tat.

Drum Hab' ich alles, was den Staat bejaht,
Damit dem Glück den Weg man bahne,
Gesammelt unter meine Fahne.

Zwar wie sie aussieht, weiß ich selber nicht,
Weil ich sie gern in buntem Wechiel trage.
Die Weltgeschichte bleibt das Weltgericht,
Sein oder Nichtsein, das ist jetzt die Frage!
So geht denn hin und tuet eure Pflicht.
(Luter lebhaftem Beifall fällt der Vorhang.)

2. Akt.

Szene: Ebendort.

Zeit: Sechs Wochen später.
Reichskanzler Stresemann sitzt
am Schreibtisch und beschäftigt sich mit einem
Monolog.

Stresemann: Zwei Seelen wohnen ach
sin meiner Brust.
Ich armer Mensch in meinem dunkeln Drange
Bin mir des rechten Weges nicht bewußt,
Doch ist mir darum gar nicht bange,

Ich komm allein durch mein Gedächtnis fort.
Ich werde rasch 'ne Rede drechseln
And wieder mal die Farbe wechseln.
„Vergessen ist vergessen", sei mein Wort.
Parole ist und bleibe diese:

Ich brauche jeden Monat eine Krise. —
Damit das deutsche Volk gespalten sei.

Sind wir genannt — die Deutsche Volkspartei.
Die Sermann Müller, Scheidemann und Wels,
Sie sind und bleiben eben doch Proleten.
Ein Äerr von Ihenplitz im Biberpelz,

Mag er mir noch so auf die Füße treten
— Das ist beim Adel mal die Tradition! —
Ist mir bedeutend angenehmer schon.

In die Noblesse sind wir ganz verrannt.
Drum werden wir auch bürgerlich genannt,
So will mich denn der Wunich gewaltig

sdrängen.

Die große Koalition zu sprengen.

Dann geht das alte Wurschteln wieder an.
Aus in den Kampf, Torero Stresemann!
Vorhang.

3. Akt.

Szene: Der Garten im Auswärtigen Amt.
Zeit: Sommer 1924.

Minister Stresemann geht, ein
Gänseblümchen in der Land, sinnend aus und
nieder: Äergt liebt mich,L>ergt liebt mich nicht,
Äergt liebt mich, Lergt liebt mich nicht. . .

(Aus der Kulisse lugt immer mal wieder die
kalte Schulter des Abgeordneten Äergt hervor.)

Vorhang

4. Akt.

Szene: Reichstag, Fraktionszimmer der
Deutschen Volkspartei.

Zeit: Dezember 1924, nach der Wahl.
Fraktionssitzung.
Reichsminister Strese mann sitzt
vor einer Rechenmaschine, mit der er die
Wahlresultate sestftellt. Er berichtet:

Wenn man genau die Stimmen zählt,

So läßt sich leider nicht verneinen:

Das deutsche Volk hat links gewählt!

Drum muß uns angebracht erscheinen
Der kühnen These Proklamierung:

Das Volk will eine Recbtsregierung!

Die Fraktion: Wie man ihn doch
sbewundern muß!

Das ist der Weisheit höchster Stuß.
Stresemann: Nun wird mit Eifer

[intrigiert.

Ein jeder Trick wird ausprobiert.

So kommt Verwirrung ganz und gar.

Was heißt hier zehnter Januar?

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