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Lachen links: das republikanische Witzblatt — 2.1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.8804#0068
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Geist: Aber man kann doch nicht immer
ohne Minister regieren!

Stulle: Äähähä! Das ist doch gerade
der Spaß! Lind dann Hab ich hier noch ein
reizendes kleines Vexierbild „Die deutsche
Gerechtigkeit". Glänzende Arbeit, wie? Mit
Wage und Schwert, nicht wahr? And wenn
ichs jetzt auf den Kopf stelle — sehen Sie? —
dann ist's ein Esel mit zwei GUdsäcken!
Na — und sie wird ja meistens auf den
Kopf gestellt. — Ja, ja, unsere Ideale sind
prima. Ich schreibe hier gerade einen licht-
vollen Artikel, „daß der stählerne Manncs-
mut den Schmutz und die Schmach des
Vaterlandes mit Blut abwaschen müsse".
Kraftvoll und kernig, wie?

Geist: Sehr kraftvoll. Augeheuer kernig.
Aber — — womit wollen Sie nachher
das Blut wieder abwaschen?

Stulle: Tja —! Da fehlt mir eben
wieder eine Idee? Paben Sie nicht eine?

Geist: Pm, l m. Wär's denn nicht
eine feine Idee, das Blut mit neuem
Dreck abzuwaschen?

Köpfe

Rrrth Fischer,
die Erneuerin Deutschlands.

Stulle: — — Donnerwetter, das ist
glänzend! Das geht! Mit Dreck! Das
geht extrafein! Wozu haben wir denn
unsere Nationalisten, unfern Dinter, unsere
Presse und unsere Gesinnung? Natürlich!

Was meinen Sie wohl: So 'nen kleinen
Dolchstoß fingert man doch hokus —
pokus — eins — zwei — drei! Einfach
knorke! (Stulles Gesicht glänzt, als wär's
mit Schlackivurst belegt.) Heureka! Nun
fällt mir's wie Schuppen von den Augen!
Die Ideen hageln nur so! Da haben wir
doch wieder einen Grund, den Schmutz
des Vaterlandes von neuem mit Blut
abzuwaschen!

Geist: Das sowieso! (Beide umarmen
sich heftig und singen mit vibrierendem
Adamsapfel, während das klare Wasser in
ihren Augen steht, das alte Kriegslied aus
dem Militärgesangbuch: „Ich bete an die
Macht der Liebe", das schon Nero, der
liebe, kleine Schneck,.in die tägliche Morgen-
andacht ausgenommen hatte.)

Dann aber konnte der Geist nicht mehr
an sich halten. Es schlug schnell eins, er
eilte hinaus auf die Straße und erbrach
sich mehrmals heftig.

Seitdem ist kein Geist mehr unter den
nationalen Politikern zu stnden gewesen.

Gustav Iuughans.

ZE!TGENOSSEN IV

Der Maskenball des Vereins ehemaliger Oberjustizsekretär-Anwärter e. V. (V. e. O. J. S. A.)

Im Hinterzimmer vom Berliner Kindl
hob man das Festkomitee aus der Windel.
Nach eingehender Prüfung der Statuten
betreffs Abhali ung von Vereins-Redouten,
hatte man nichts Erhebliches einzu-
wenden,

da zum Zwecke der Vereinswohlfahrt
auch Lustbarkeiten leichte1'er Art,
statutarische Bedenken nicht entgegen-
ständen.

Hiermit wurde die Frage akut
nach einem Lustbarkeitsergänzungs-
statut,

nebst Kompendium für besondere Fälle,
z. B. Italienische Nächte oder Masken-
Man müsse zwar in diesen Tagen [bälle.
Dem Ernst der Zeiten Rechnung tragen;
auch läge hier die Befürchtung nah,
daßmandie hohenZieledes V.e.O.J.S.A.
aus dem sogenannten Auge verlöre.
Doch da im geselligen Verkehre
auch die Jugend zu Wortekommen müsse,
meine man, daß gegen gewisse Kompro-
misse

nichts Ernsthaftes einzuwenden wäre. —
Nun sah man an Diens- und Freitagen
das Festkomitee mit großem Geschrei
tagen.

Es ging immer nach Punkt Ia und b,
Absatz 3, Fußnote 5 und so weiter.
Manchmal wurde selbst das ernste
Festkomitee

trotz der hohen Ziele unmäßig heiter.
Manche Sitzung verlief ruhig, aber im
Sande.

Doch schließlich kam ein Festprogramm
zustande. —

Von Erich Weinet t

Im kleinen Saal der Schloßbrauerei
schlang sich Guir/ande um Guirlande.
An der Kasse (Mitglieder Eintritt frei!)
saßen Herr Schröpf und Herr Nussendey
im schlotternden altdeutschen Ritte -
gewande.

Frau Bredereck kam als Pompadour
mit unterwegs verrutschter Frisur.
Fräulein Kämmke, die immer schon
etwas Lose,

erschien in offenem Busen und Hose
undGoldkäfer schuhen als Leichtmatrose.
Besonderes Aufsehen aber erregte
Herr Kriebelmeyer junior,
der sich auf den Gardeleutnant legte,
aber leider immer den Helm verlor.
Herr Tetzlaff kam als Matador,
den Kalabreser auf dem linken Ohr,
eingeblümtes Taschentuch um dieLenden.
Dann demonstrierte sich Fr au Nussendey
als gutverpackte Madame Butterfly,
mit vorschriftsmäß g behandschuhten
Händen

im wonnigen Arme von Herrn Schallehn
als naturgetreuer Korvettenkapitän.
Herr Bäthge klirrte durchs Lokal
von oben bis unten in bronziertem Stahl.
Und so kamen sämtliche Geschichts-
epochen

mehr oder minder hervorgekrochen. —
Im ersten Teil des Monstre-Programms
sah man Herrn Schnock auf gemalten
Gipfeln

mit Fräulein Kneez im Tirolerwams
im Schweiß ihres Angesichts Schnada-
hüpfeln.

Worauf dann Fräulein Nussendey,

Die lyrischen Hände zum Himmel ge-
wrungen,

die bekannte Uhr von Löwe gesungen.
In der Pause sang das Festkomitee
an der Hand von Weinbrand am Bier-
büffet,

daß ein braves Weib und ein herzig Kind
der Himmel auf der Erde wäre. —

Im zweiten Teil intonierte Herr Pint
ein Solo von alter deutscher Ehre.
Dann wollte Herr Schröpf eine Rede
halten.

(Leider hatte er Auf stoßen oder Er-
kältung.)

Und au :h die letzten Programmgestalten,
kamen nicht mehr recht zur vollen
Geltung —

Mit beginnender sogenannter Fidelitas
war alles schonvon innen und außennaß.
Madame Butterfly stepte ganz mondän
mit ihrem Korvettenkapitän.

Der Gladiator trieb in der Ecke Schosen
mit dem offenhirzigen Leichtmatrosen.
Und so verschwommen die hohen Ziele
in einem wahrhaft dionysischen Gewühle.
Hier sang man Treu und Einigkeit,
Dort hatten sich Ehegesponse entzweit.
Am Endegabs sogar Entkleidungsfzenen,
um diversen Entgleisungen zu frönen.
Doch um den Abschluß würdig zu ver-
schönen,

intonierte man den Festgesang Nummer
eins:

Es lebe die deutsche Gemütlichkeit
und die hochgesteckten Ziele des Vereins.

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