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Lachen links: das republikanische Witzblatt — 2.1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.8804#0088
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UNTERHALTUNGSBEILAGE DER WOCHENSCHRIFT „LACHEN LINKS'

Uzarskt / Ptefkeshausen

Adolf

Zwei Minuten später steckte Lerr Pille-
wind den Kopf zur Tür herein: ob Lerr Re-
dakteur Letzer dem Lerrn Baron seine Auf-
wartung machen dürfe. —

„Was will er denn?" —

Lerr Pillewind zog die Achseln. „Ich weiß

nicht, Lerr Baron,-er ist vom „Pief-

keshausener Echo" — — vielleicht"-

„Schön! — Lassen Sie ihn malreinkommen!"
sagte Lerr von Klingelpütz, warf sich auf das
Sofa und vertiefte sich in den Annoncenteil
der Zeitung. —

5bm° Letzer wischte sich aufgeregt die
schwitzenden Lande an der Lose ab, klopfte,
schlug die Beine zusammen, machte eine tiefe
Verbeugung und sagte: „Letzer!" —

Lerr Baron von Klingelpütz legte langsam
die Zeitung auf den Tisch, drehte sich um,
nahm ein Monokel aus der Westentasche,
klemmte es sich ins Auge, musterte Lerrn
Letzer von oben bis unten und lud ihn dann
ein, Platz zu nehmen. —

Lerr Letzer atmete hörbar auf und setzte
sich mit sorgfältig über die Knie geschlagenen
Gehrockenden auf eine Stuhlkante. —

„Es ist hier nur ein Provisorium," fuhr der
Lerr Baron fort, mein Apartemang wird erst

heute fertig.-Li er, nehmen Sie sich 'ne

Zigarette — Friedensqualität!-so!-

und nun schießen Sie mal los!"

„Lerr Baron," --begann stotternd Lerr

Letzer, „Lerr Baron werden vielleicht gelesen

haben, daß wir uns gestattet haben-ehem

-eine kleine Notiz — — ehem-, es

ist natürlich für Piefkeshausen von-- von

— — ich möchte sagen, eminenter Wichtigkeit,

daß vor allem das Lauptorgan-denn

die beiden anderen Zeitungen kommen natür-
lich nicht in Frage-, die eine ist sogar

ein-ich bitte ergebenst um Verzeihung

-ein — ehem-- sozialistisches Blatt,

während gerade das „Piefkeshausener Echo"
von jeher das Banner für Kaiser und Reich

-für ein, ehem, eine Wiederkehr des uns

einzig rettenden Kaisertums, gegen die jetzige
Schandregierung, für eine energiiche Rüstung,
gegen den Versailler Schmachfrieden, für"

— — — „Iajajajaja!" sagte langsam Lerr
Baron von Klingelpütz und knispelte an seinen
Fingernägeln. —

„Ja," nickte Lerr Letzer, „und wir halten

es deshalb für unsere Pflicht, die-ehern

ehrenvolle Anwesenheit eines hervorragenden
Vertreters des-ehem-aus Deutsch-
lands großer Zeit --nicht wahr-?

— — „Iajajaja!" sagte Lerr Baron von
Klingelpütz. —

„Die Zustimmung des Lerrn Baron ehrt

mich außerordentlich-und wenn Lerr

Baron mir gütigst einige-ehem-

Details über hochdero werte Familie —r —

ezetra-ich würde dann, wenn LerrBaron

gestatten, einen kleinen Artikel-—

„Nicht zu klein!" —

„Natürlich — — selbstverständlich-Lerr

Baron können sich da ganz auf mich verlassen
-- ehem — — wenn ich mir eine Frage

erlauben dürfte: Es ist sicher schon ein altes
Geschlecht?" —

„Sehr alt!" erklärte Lerr von Klingelpütz,
„ganz kolossal alt! — Ich habe aus meinen
Schlössern noch ein Bild von einem Ururgroß-
vater, der schon sehr lange tot ist!-"

„Man kann also schreiben: ein Jahrhun-
derte altes Geschlecht, dessen Anfänge—"-

„Das können Sie ruhig schreiben!" bestätigte
der Leld dieser Geschichte. —

„LerrBaron sprachen da eben von Schlössern
-," fuhr Lerr Letzer fort, „darf man viel-
leicht fragen-ehem-wo —?"-

Der LerrBaron beschrieb einen großartigen
Bogen durch die Luft. „Meine Schlösser, die

müßten Sie mal sehen!-Ich sage Ihnen:

einfach famos!-ganz märchenhaft! — —

Sie können mich ja später malbesuchen kommen

-" — Lerrn Letzer traten vor Freude

die Augen geradezu beängstigend aus dem

Kopf --„ich gebe Ihnen später mal die

Adresse!"

„Wir haben also die Ehre, Lerrn Baron

längere Zeit hier-ehem-- in unserer

Mitte zu sehen?" erkundigte sich Lerr Letzer,
worauf der vornehme junge Lerr ihm erklärte,
daß er sonst viel umherreise, daß ihm aber
Piefkeshausen ausnehmend gut gefalle und
er wahrscheinlich längere Zeit bleibe, vielleicht

sogar-hier brach er ab und sah Lerrn

Letzer vielsagend an. —

„Ah, ich verstehe!" sagte Lerr Letzer und
bemühte sich, ein möglichst zurückhaltendes
Gesicht zu machen, „ein Geheimnis!" —
„Ja!" bestätigte jein Gegenüber nickend,
„ein Geheimnis!" — „Ich darf also nur schrei-
ben," forschte der Journalist, ehem, sagen

wir: Reist zu seinem Vergnügen-" —

„-und in einer delikaten Angelegenheit!"

ergänzte Lerr Baron von Klingelpütz. —
Lerr Letzer fieberte vor Aufregung. „Oh,"
flüsterte er, „alio ein Staatsgeheimnis!?" —
„Das weniger!" — Lerr von Klingelpütz
beugte sich vor, „unter uns: ich suche nämlich
eine Frau!" —

6. Fortsetzung.

Lerr Letzer war — — wie das ja bei
seinem Beruf als Journalist durchaus in der

Ordnung war-in bezug ausdas Bewahren

von Geheimnissen die allergeeignetste Persön-
lichkeit und sozusagen das männliche Gegen-
stück zu Frau Prümm. Deshalb verabschie-
dete er sich nach dieser hochinteressanten Er-
öffnung, so rasch es seine für Löslichkeit ge-
haltene Löslichkeit erlaubte, lief in Doppel-
sprüngen die Treppe hinunter, brachte die
unten iw Stübchenbeim Frühschoppen sitzenden
Lerren in eine begreifliche Erregung durch
die hastig geflüsterte Mitteilung: „Meine
Lerren, ein wichtiges Geheimnis! — Aber
bitte, allerstrengste Diskretion! er sucht eine
Frau!" und verließ, ohne sich auch nur ein
Tülpchen Bier lang aufzuhalten, in größter
Eile Pillewind's Lotel. —

Kurze Zeit nachher kam Lerr Baron von
Klingelpütz die Treppe heruntergeschlendert,
gab der untertänigst knixenden Frau Pille-
wind überaus freundlich die Land und wurde
von Lerrn Pillewind mit vielen Komplimenten
in das Hintere Stübchen geleitet. —

Die Lerren — Lerr Waschanstalts-
besitzer Schmitz-Pustkuchen, Herr Oberlehrer
Dr. Kuhbach und Lerr Farbwarengeschäfts-
inhaber Meinecke — erhoben sich mit einer
tiefen Verbeugung, die der Lerr Baron, wenn
auch natürlich nicht so tief, aber ebenso Höf-
lich erwiderte. Nachdem Lerr Pillewind
die bestellte Flasche Bordeaux hereingebracht
hatte, wodurch die peinliche Stille wenigstens
in etwas gestört wurde, erhob der erlauchte
Gast das gefüllte Glas und sagte: „Na, denn
prost, meine Lerren!"

Die drei Lerren taten ihm geschmeichelt
mit „Gestatte mir!" und „Auf Ihr Spezielles,
Lerr Baron!" Bescheid, wobei sich Lerr
Waichanstaltsbesitzer Schmitz - Pustkuchen
innerlich wütend ärgerte, daß er sich keinen
Wein bestellt hatte und einer so außerordent-
lichenLiebenswürdigkeit nur mitgewöhnlichem
Hellen Bier begegnen konnte. —

Die wieder drohende Stille verscheuchte
Lerr von Klingelpütz durch die eine längere
Unterhaltung versprechende Frage, ob er das
Vergnügen habe, Piefkeshausener Bürger vor
sich zu sehen. —

Lerr Waschanstaltsbesitzer Schmitz-Pustku-
chen, der als Nichtakademiker und langjähriges
Mitglied der freiwilligen Feuerwehr den mei-
sten Mut hatte, verbeugte sich und sagte:
„Jawohl, Lerr Baron!" und sein Name.sei
Schmitz-Pustkuchen. „Kuhbach, Dr.," sagte
Lerr Oberlehrer Dr. Kuhbach. — „Meinecke!"
sagte Lerr Meinecke. —

Es würde ihm, fuhr Lerr Schmitz-Pustkuchen
fort, eine Ehre und ein großes Vergnügen
sein, als alter Piefkeshausener dem Lerrn
Baron mit allem Wissenswerten an die Land
zu gehen. Ob Lerr Baron z. B. schon die
alte Mauer gesehen habe.--

Ja, das sei nämlich eine alte Mauer, nicht
sehr groß, eigentlich nur ein Stück von einer
alten Mauer, aber jedenfalls sehr alt. Wie
er ein kleiner Junge gewesen wäre, sei sie

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