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Lachen links: das republikanische Witzblatt — 2.1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.8804#0118
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Was ist Deutschland?

Leinrich Leine sagt: „Deutschsand ist noch ein kleines Kind, doch die Sonne ist seine Amme."

Diese Ansicht scheint uns nicht mehr zutreffend zu sein. Wir haben daher unserm P.-G.-Mitarbeiter Gelegenheit
gegeben, eine Anzahl der prominentesten Persönlichkeiten zu besragen, was nach ihrer Meinung Deutschland sei. Lier

sind die Antworten:

Dr. Stresemann: „Deutschland ist ein Flaschenbier, das an
die Ruhrindustrie verschenkt wird."

Reichsminister Dr. Schiele: „Deutschland ist eine Eidge-
nossenschaft mit beschränkter Laftung."

Ein ehemaliger Minister: „Deutschland ist eine Pumpstation
auf dem Löste eines alten Pfarrhauses."

Ein Kronprinz zur Disposition: „Deutschland ist eine
Monarchie unter Zwangsverwaltung."

Ein geistreicher Monarchist: „Deutschland ist eine Lühner-
leiter ohne legitime Sprossen."

Ein echter Bayer: „Deutschland ist eine Schießscheibe, wo
noch keiner das Zentrum getroffen hat."

Ein berühmter Arzt: „Deutschland ist ein Schizophrener mit
Schwachsinnserscheinungen, bei dem die Linke nicht weiß, was
die Rechte tut."

Ein unbefangener Jurist: „Deutschland ist ein Rechtsstaat,
wo mit dem Recht kein Staat zu machen ist."

Tie berühmte Filmdiva Para Lysa: „Deutschland ist
ein Sechstagerennen um den Preis von Manoli. Nächste
Woche gehts von vorn los."

Isidor Kreil

Zeichnung von S. Sebba

„Wenn Se sollten der verehrlichen Meinung sein, Lerr Kapitän, ruhen zu
lasten einige Zeit die persönlich-herzliche Verbindung zwischen uns beiden,
— nu, anbiete für Ebert-Prozeß erlesene Musterkollektion erprobter uiid ge-
wandter Zeugen zu bekannt zivilen Preisen!"

Warum ich nicht
Reichs Präsident
wurde

Von Fritz Müller, Chemnitz.

Für die Wahl des
Reichspräsidenten, die
in 14 Tagen stattfinden
sollte,hatte man mich als
Kandidat aufgestellt.

Ich hattediebestenAus-
sichlen, gewählt zu wer-
den. Gegen die paar
Aufsätze, in denen ich
mein Programm der ge-
samten deutschen Presse
übergeben hatte, konnte
niemand etwas von Be-
deutung einwenden;
und in den Rundfunk-
vorträgen, die ich jeden
Mittwoch und Freitag
von 8.15 — 8.29 Ahr
hielt, hatte ich mir nach
und nach dieLerzen des
größten Teils der Mit-
hörer erobert. Meine
Familienverhältnisse
befanden sich in tadel-
loser Ordnung; und in
meinem Vorleben hatte
ich nichts begangen, wo-
durch ich des höchsten
Amtes unwürdig sein
könnte.

Da bekam ich ein
dickes Schreiben von ei-
nem angesehenen Nach-
richtenbureau. Zum
25. Male fragte mich dieses Institut, ob ich
ilicht Zeitungsausschnitte über mich bestellen
wolle. Da ich glaubte, die Zeitungen könnten
mir nichts Schlechtes nachsagen, und da ich
durch fortwährendes Lesen von Lobeser-
hebungen nicht stolz werden wollte, hatte
ich von dem Anerbieten keinen Gebrauch
gemacht. Bei der ablehnenden Antwort
auf die 24. Zuschrift hatte ich auch diesen

Grund mit angegeben. Lier hakte das
Nachrichtenbureau ein und schrieb, ich sei
vollständig im Irrtum, wenn ich glaubte, ich
würde allerseits gelobt. Außer in den Zei-
tungen meiner Parteifreunde hätten sie noch
kein Lob auf mich finden können. Wie man
über mich urteile, möchte ich aus den 10 Pro-
beabschnitten ersehen. Weitere Ausschnitte
könne ich zum Preise von 20 Mark für je

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100, 30 Mark für je
200, 40 Mark für je
500 Stück haben.

Neugierig las ich,
was in denAusschnitten
über meine Wenigkeit
geschrieben stand. Zu-
nächst erfuhr ich zu
meiner Verwunderung,
daß ich eigentlich Beitel
Mehlstaub heiße, aus
Ostgalizien stammeund
1919 mir 27 Lellern
in der zerrissenen Tasche
einer fast bodenlosen
Lose eingewandert sei.
Als Stiefelputzer und
durch Griffe in die
Tasche immer Kunden
hätte ich mir die Mittel
zu allerhand unsaube-
ren Finanzoperationen
erworben. Jetzt sei ich
Besitzer zweierVillen in
Chemnitz, dreier Miet-
häuserinBerlin, weiter
Waldstrecken in Bay-
ern, eines ostpreußischen
Rittergutes, dessen ur-
sprünglicher Besitzer
durch meine Schurke-
reien freiwillig aus dem
Leben geschieden war,
einer gemeinen Kneipe
in Altona, eines Ver-
lags zur Lerstellung
unzüchtiger Bilder. . .
Ich hatte genug und
sah mir den nächsten Ausschnitt an. Er ent-
hielt ein Verzeichnis der Sünden, die ich
während meines vorjährigen Aufenthalts in
Pontresina begangen haben sollte. Da ich
1924 nur 17 Tage lang die Rauhe Alb
durchwandert und mich dann kurze Zeit am
Bodensee aufgehalten hatte, von Pontresina
aber nicht einmal wußte, wo das Nest
eigentlich liegt, warf ich den Ausschnitt mit
 
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