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Lachen links: das republikanische Witzblatt — 2.1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.8804#0144
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Die Zitzewitz-Bank 3mStt6„t a„a„

..Wir waren frob, daß endlich anständige Menschen zu uns
kamen." (Gel,. Nehring vor dem Untersuchungsausschußj

Die Siedler: „Wir möchten Geld von der Lypothekenbank für
Siedlungszwecke."

Geh. Nehring: „Raus, mit solchen Proleten arbeite ich nicht!"

v. Zitzewitz und Gen.: „Branchen Zeld filr — äh — hochfendale
Päuselspckulation!"

Geh. Nehring: „Gottlob, endlich anständige Meirschen! Pier sind
5 Millionen!

Das D p f e r

Perr von Schlott ist
ein ganz Großer von der
Schwerindustrie und
dabei ein echterPatriot.

Das blanke Lippenbe-
kenntnis für den rcpu-
blikanischen Staatsgc-
danken ist ihm ein Ekel.

Die edle Tat ist sein
Fall. Der edle altge-
adelte Mann weiß:

Gold ist alles! Die
Finanzen über alles!

£lm diese auszubauen,
dafür reichen die üb-
lichen steuerpflichtigen
Bürgerleiß ringen nicht.

Darum geht Dcrr von
Schlott mit gutem Bei-
spiel voran und ver-
schafft demBaterStaat,
den: bettelarmen, neitc
Geldquellen. Er stellt
seine ganze Person in
den Diellst der Sache.

Das gleiche ist Befehl
für seine Familie.

Jeden Abend tritt
Dcrr von Schlott trotz
seiner drei Zentner unter
Mitwirkung seiner. Ee-
mahlin im Kristallpa-
last als Tanzhumorist
auf, während feine
Tochter am Flügel be-
gleitet und sein Aelte-
ster als Taschenfinger-
künstler die getvagtestcn
Fertigkeiten mitt n un-
term Publiktnn voll-
br ngt.

Lin aber die Zeit nach
Kontorschluß, also die
Dämmerung und die
Mittagspause, finanz-
staatserhaltend zu ge-
stalten, produzieren sich
Mutter und 'Tochter in
den herrlichen Pos-
ränmen der Arbeitcr-
mictskaserncn als indi-
sche Tänzerinnen
Den musikalischen
Part besorgt Perr von
Schlott selber vermit-
telst einer Drehorgel.

Der au? gezeichnet ver-
anlagte Sohn schwingt
sich von Fenster zu Fenster und sannnelt
als Affenmensch bei den materiell sehr gw
verankerten Arbeitern in den Dinterhaus-
gemächern und lockt besonders bei den Fa-
briimädchen manch schöne Gabe durch seine
sinnige Art heraus.

Die von den Arbeitern großmütig ge-
brachten Sammelgelder für das dargebotene
Kunstgenießen werden nach der Vorstellung
augenblicklich dem Direktorium der Deut-
schen republikanischen Finanzverwaltung
überwiesen.

Der Patriotismus des Derrn von Schlott
hat keine Grenzen. Daher entschließt er
sich, Villa Schlotthcim den: ganzen Volk
zu überlaffen. Nach einem fest geregelten
Tarif werden in den herrlichen Räumen des
Palastes Arbeiterhochzeiten, proletarische
Festlichkeiten, wie Geburtstagsfeierlichkeiten,
Konkubinatsjnbiläen, Kindertaufen, Metzel-
suppen und mehr dergleichen Festivitäten
abgehalten. Die zwei Personenautos des
edlen Schwerindustriellen stehen dabei zur
Verfügung. Zn dem einen fährt der Sohn

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die leeren Gäste zu, und
in dem andern fährt
der Vater die vollen
Gäste fort.

Während Mutter und
Tochter als originelle
Kirchweihharfinistin-
nen zur Erheiterung
dcr Gäste beüragen.

Am Zahltage werden
gleich die Preise für
die Eintrittskarten zum
Volksfest im Schlott-
schen Park für jeden
Soitntag vom Lohn ab-
gezogen. Beim Fest
spielen die älteren Fa-
milienmitglieder als fi-
dcle Schrammeln.

Angeregt durch die
hochherzigen Taten des
Derrn Schlott hat mm
der deutsche Finanzmi-
nister ein Merkblatt hcr-
ausgegeben. Mit hoch
erhobenem Finger zeigt
derFinanzmannaufdie
vielen noch unbenutzten
Verdienstutöglichkeiten
nach Feie abend in:
Interesse des Vater-
landes hin. Eine ganze
Anzahl Gebiete liegen
noch brach. Als da
sind die Kirchtumseil-
kunst, das Boxen,
Schlagringjonglieren,
das Kartenschlagen und
Spielwahrsagen, und
anderes mehr.

Jeder wirkliche Pa-
triot und Republikaner
muß hier etwas tun.
In dem Merkblatt wird
schließlich ganz ener-
gisch darauf hingcwie-
sen, daß bereits über
fünfzig Beamte Ma-
terial aufbauen, so daß
baldigst, vielleicht schon
in den nächsten zehn
Jahren ein allgemeiner
Deberstundcnkunstnot-
opfergesetzentwurf zu
erwarten ist, wodurch
das kranke deutsche Fi-
itanzgebaren endlich ge-
sund wird. Von Amts
wegen durchs' Gesetz.

Der Rat

Ein „zielstrebiger" jüdischer Jurist — Syn-
dikus eines großen Dandelskonzerns — hat
infolge der dauernden Skandalaffären keinen
Spaß mehr -cm seinem jetzigen Berufe. Er
fragte seinen Freund, einen bekannten Poli-
tiker, ob es für ihn nicht empfehlenswert
sei, in jetziger Zeit die Staatskarriere ein-
zuschlagen. Der antwortet trocken: „Lassen
Sie das, beim sonst kommen Sie vom
Regen in die Taufe!" Karl Schnog.
 
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