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Lachen links: das republikanische Witzblatt — 2.1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.8804#0154
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Entfettung
Die kommunistische Amazone
Ruth Fischer klagt einem ihrer
Parteigenossen, daß sie mit Arbeit
so ungeheuerlich überlastet sei.

„Es ist ganz entsetzlich, in wie
vielen Versammlungen ich sprechen
muß. Ich nehme ordentlich ab
dabei."

„Ja, ja," sagt der Genosse teil-
nehmend, „die Partei auch."

Schulaufsatz über Berlin
Berlin hat 56 Theater, aber
alles ist nur Theater, Berlin hat
793 Kabaretts, aber kein Kaba-
rett, 30469 Nationalisten, aber
keine Nationalität, 30 470 Re-
publikaner, aber nur 30 Republi-
kaner und keine Republik. Berlin
hat 4377 Schulen, aber keine
Lehranstalt, 96 öffentliche An-
stalten, aber keinen Verkehr, 735
Verleger gegen 62443 Dichter
(aber nur 5 Dichter). Berlin
hat 23 Museen, aber keinen
Reichstag, 765 Kritiker und ist
dabei undiskutabel, es hat 4635
Bedürfnisanstalten, aber eine be-
dürfnislose Bevölkerung. ä. e.

IX I lt i: IS T S GEIST

X u r

äsidentcn w a li 1

Als wir zur Kuh den toten Führer trugen
Und tief im Weh des Volkes Herzen schlugen,

Da hat uns alle heißer Schmerz gebannt,
Gequältes Schweigen drückte dumpf das Land.
Und doch: Den Toten ehren, heißt im Lehen
In Wort und Tat nach seinen Werken streben.
Und wenn das Herz vor Gram erzittern mag,

Mit hohem Mut zu kämpfen heischt der 1 ag,
Antwort verlangt die Frage jetzt allein:

Wer würdig sei, an seiner Statt zu schalten,

Dem muß der große Tote Vorbild sein,

In seinem Geist zu wirken und zu walten.

Und abermals beginnt der grimme Streit
Der Zukunft wider die Vergangenheit,
Vermorschter Ungeist ist noch lang’ nicht tot,

Lr schleicht durchs Land, die Stimmen auszuborgen
In feilem Handel um des Tages Sorgen,

In falschem Spiel um die gemeine Not.

I nd wieder ward dem Volk die Wahl gesetzt,
Den Weg zu finden zwischen einst und jetzt.

Hier Schwarz-Rot-Gold! Hier Recht unclEinigkeit!
Hier stetes Ringen um die neue Zeit!

Hier Kampf der Freiheit nun und immerdar!

Hier deutscher Jugend hochgemute Schar,

Gewillt, die Stunde freudig zu ergreifen
Und alle Ketten endlich abzustreifen!

Doppelt Hält besser

Ein Minister stand sehr weit
rechts, so weit, daß man ihn kaum
noch sah.

Aber sein Gehalt bezog er, Gott
sei Dank.

Seine Kollegen ärgerten sich,
teils, weil sie im Reichtag an-
wesend sein mußten, wenn er
landwirtschaftliche Wochen feierte,
teils, weil sie es nicht für passend
hielten.

So schickten sie ihm oft Briefe und Boten,
und forderten ihn auf, zu erscheinen.

Aber er kam nicht.

Als nun eines Tages eine besonders
wichtige Sitzung war, machten sie sich aus
ihre 40-P. 8.-Mercedes und wollten ihn
selbst abholen.

Er ging nicht mit, dafür aber hörten sie,
wie er seinem Diener zurief:

„Sagen Sie den Perren, ich wäre ver-
reist und hätte Zahnschmerzen."

And da verließen sie ihn.

Charlotten bürg

Vor dem Charlottenburger Amtsgericht
stand eine veritable Russin, die sich wegen
irgendeines Vergehens, wie man so schön
sagt: zu verantworten hatte.

Schon wollte der Richter die immer ge-
rechte Strafe auf sie herab verkünden, als

Und ans den Flammen, die am Grabe lobten,
Steigt hehrer Glanz empor zum Firmament,

So wird der weihevolle Schwur entboten:

Wir halten I reue, toter Präsident!

Du Volk cler Arbeit, hohe Ziele weist
Der Tag, da neu wir uns zum Kampf bereiten.
Wir aber wollen an die l inen schreiten
In unsres toten Führers reinem Geist!

Henning Duderstadt

der Verteidiger plötzlich mit abruzzeuhafter
Pandbewegung Gehör verlangte.

„Sie müssen meine Klientin unbedingt
freisprechen, denn über die Art ihres Ver-
gehens ist soeben in Rußland eine Amnestie
erlassen."

„Lind?" fragte der Richter.

„And," erwiderte der Verteidiger, „Char-
lottenburg ist russisch." _gg

L iebe

Auch Minister sollen Perzen haben.

And kraft solcher, frei nach Claire Wgldoff,
Liebe spüren.

So ein verliebter Perr wandelt im Gru-
newald und am Arm seiner Angebeteten
herum. Beide warten auf das erlösende
Wort. Er aber schweigt, mehr krampfhaft
als standhaft.

Endlich aber ermannt er sich, soweit dies

150

möglich war, und stotterte: „O,
ich hätte Ihnen so viel zu sagen,
doch ich kann nickt sprechen."

„Zchweiß," nickte sie hold erglü-
hend, „darum sind Sie doch auch
Minister." -gg

„Wenn

ein deutschnationaler Präsident
gewählt wird, werden wir aus
Deutschland ziehen."

„Nanu, Angst?"

„Nein, aber wir wollen dann
für immer nach dem Süden. Papa
hat doch eine Munitionsfabrik!"

-gg

Gattinnen

Ministerfrauen unter sich.

„Redet Ihr Gatte eigentlich
gern?"

„Ja, aber nur, wenn Reichs-
tagsferien sind."

So nehmt den Willen
Familienfeier im Pause eines
der Schlotbarone, der auch einige
Millionen von Luther angenom-
men hat. '

Nach dem feudalen Essen sitzt
der engere Familienkreis um den
Stammherrn herum.Dieser erzählt
gerade, wieviel Moos er durch
die Güte des Perrn Luther ge-
erbt habe, und im Anschluß an
seine Freude erinnert er auch an
das Dortmunder Anglück.

Das Sckicksal der Pinterblie-
benen schien ihm wirklich nahe-
gegangen zu sein, denn plötzlich
sprang er auf und schrie:
„Kinder, haltet mich, so ist be-
komme ich es fertig und gebe
100 000 Mark an die Dortmunder
Spende!"

Sanft drückte man ihn in den Sessel
zurück und sagte ihm, daß eine gute Tat
tun zu wollen, auch schon ganz schön sei.

-gg

Falsche Verbindung

Am Pamburger Zoo war ein Kamel
überzählig.

Es war einfach unmöglich, es unterzu-
bringen.

So setzte sich der Direktor ans Telephon
und verlangte den Berliner Zoo.

Es meldete sich jemand, und er bot sein
Kamel an.

Zuerst ratloses Schweigen, dann hörte er:
„Bitte einen Moment, wir verbinden Sie
mit der Personalabteilung."

Er hatte eine falsche (wirklich?) Nummer
bekommen, irgendein Ministerium hatte sich
gemeldet. _gg
 
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