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Lachen links: das republikanische Witzblatt — 2.1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.8804#0250
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Erich Weinerl:

den Herrn Reichsfinanzminifter

Vorschläge für

Herr von Schlichen!

Sie sind ein famoser Sanierungschef!

Das Steuerlaftenverschieben
versteh'» Sie entschieden aus dem ff.

Sie haben zwar eine warme Lanze
für den verarmten Besitz eingelegt,
der ja immer die größten Lasten trägt;
doch warum gehen Sie nicht aufs Ganze?
Vor Ihrem sozialen Gewiffen
allen schuldigen Respekt!

Aber Sie laffen bei Ihrem Steuerprojekt
die deutsche Gründlichkeit vermissen!

Weg mit den sentimentalen Kompromissen!
Soziale Fragen? Alberne Mache!

S i e haben die nötige Intelligenz.

Also bringen Sie mal Zug in die Sache!
Und seien Sie mir nicht bös, Exzellenz,
wenn ich Ihnen ein paar Vorschläge mache!
Erstens wollen Sie bitte erwägen:

Die Masse stellt die Majorität.

Es wäre deshalb schon hirnverdreht,
wollte man die Minderheit mit Steuern be-
legen.

Die paar Herrn mit der hypertrophischen Leber,
die brauchen wir wirklich nicht mehr zu
schröpfen.

Es fehlt uns ja sowie so an Köpfen.

Was wären wir ohne Arbeitgeber?

Bitte sehen Sie sich mal in Deutschland um!

Es ist eine schwere Zeit für die Herr'».

Der ganze Guß. und Diebstahlkonzer»
liegt seit dem Waffenstillstand krumm.

Mit den kleinen Stresemanngeschenke»
haben sie grade das nackte Dasein bestritten.
Kann man den Herren da verdenken,
wenn sie um Steuerfreiheit bitten?

Ebenso liegt die Sache im Osten:

Der ausgepowerte Agrarier

kommt überhaupt nicht mehr auf die Kosten.

Das schluckt ja alles der Proletarier.

Der kleine Mann sollte sich dankbar er-
weisen,

wenn er wüßte, was das bedeutet,
daß wieder ein Mann von altem Eisen
die deutschen Untertanen leitet.

Außerdem sitzt uns der gierige Geselle,
der alte Erbfeind, noch auf der Pelle.

Die Industrie leidet darunter unsagbar,
für die ist die Last natürlich nicht tragbar;
da wär's auch ein schöner Schlag in die
Kasse!

Für den Arbeiter ist's eine Bagatelle,
denn hier macht eS doch die große Masse. -
Nun noch ein Wort über Einfuhrzölle!
Seien Sie ein großzügiger indirekter Be-
steurer.

Es wird dann alles eben ein bißchen teurer.
Aber wir können auch leiden, ohne zu klagen.

Und dann machen Sie noch ein bißchen Feuer
hinter die Lohn, und Umsatzsteuer!

T)ie kann man doch gleich ins Quadrat er.
heben.

Wir brauchen ja so wenig zum Leben. -
Was nun die Aufwertung anbetrifft,
da nehmen Sie mal den blauen Stift
und machen einen Strich durch den ganzen
Fetzen!

Die Aufwertung von Industrie und Land.
Wirtschaft

Tritt mit den neuen Steuergesetzen
sowieso unverzüglich in Kraft.

Dann wird das ganze Bild schon klarer.
Und Rentner und andere kleine Sparer
werden dadurch am schnellsten abgeschafst. -
Dann lasse« Sie sich bitte erweichen,
die Erwerbslosenunterstützung zu streichen!
Die Leute fressen Kaffee und Kuchen,
anstatt sich lieber Arbeit zu suchen. -
Sehn Sie, Herr von Schrieben, das wär'
ein Programm,

vor dem stände ganz Europa stramm. -
Und faselt wer von der linken Seite
wieder mal von englischen Finanzen,

Laffen Sie sich keine Laus in die Leber pflanzen!
Die Engländer sind perfide Leute;
und die neuen englischen Steuergesetze
sind nichts als gemeine Feinbundhetze.

ZUM GERICHTSARZT VERURTEILT

„Geliebter Freund, wie siehst du

aus?

Was ist mit dir geschehen?“

„Ich habe in des Todes Haus
Den Sensenmann gesehen.“

„Was hat dir solches Leid ge-
schafft?

Wer wollte dich ermorden?“

„Ich war in Untersuchungshaft,

Da bin ich krank geworden!“

Heiß ist der Kopf, verkrampft
das Herz,

Der Magen am Verderben!

Da spricht der Arzt: „Der Kerl
macht Scherz,

Der will ja gar nicht sterbenl
Man kennt doch schon den faulen

Schlich,

Der Bursche schiebt Phiole!“

So stöhnst du dumpf, bis endlich
Der Leichenwagen hole. [dich

Nun aber künde mir dein Mund:
„Wie flohst du vor’rn Verhängnis?“
„Ich meldete mich halt gesund,
Ging lieber ins Gefängnis.

Im Zellenraum hoffst immer du,
Daß sich das Schicksal wende,
Doch führt man dich den Ärzten

zu,

Ist es bestimmt zu Ende!“

Henning Duderstadt.

Mlm-M)fall und Brettl-
Späne

Man erzählt sich im Romanischen Cafe:
Hier saß die Laöker-Schüler einmal und
entfloh mit Joachim Ringelnatz in ftern.
blaue Fernen. Ihr „Mokka" war kalt und
RingelnatzenS Whisky-Soda warm. Blu-
men aus dem heiligen Land und Gewächse
der wilden See wucherten empor.

Nach anderthalb Stunden blickte
Joachims rechtes Auge etwas klarer und er
fragte sein Gegenüber: Sagen Sie mal,

Sie sind doch nicht etwa die LaSker-Schüler?
Die schob eine schwarze Strähne aus der
gelben Stirn und antwortete hell: Natür-
lich! Warum?

Das Aas kann ich nämlich nicht leiden,
brummte eine lange Nase ins Whiskyglas.

Hans Schnitzer, der ein so guter Con-
ferencicr ist, daß er fast nie nach Berlin
geht, führte in einer Monatsversammlung
der I. A. L. in Köln den Vorsitz. Die
Artisten stritten mit heißen Köpfen wegen
einer Abmachung mit dem Direktoren-Ver-
band. Immer wieder wurde von wackeren
Drahtseilkünstlern und Flaschenspringern
dasselbe Thema mit andern Worten abge.
wandelt.

Steckbrief.

Der Untersuchungsgefangene Höfle
hat, in schwerer, schuldhafter und straf,
barer Verkennung seiner Befugnisse,
die ihm seitens- der Justizbehörden zu-
teil gewordene Behandlung seinerseits
mißbraucht, um zu sterben, sodaß die
gegen ihn eingeleitete Untersuchung und
allenfallsige Strafverfolgung nicht zu
dem erwünschten Ende geführt werden
konnte. Hinreichend verdächtig der voll«
endeten Gefangenenbefreiung erscheint
eme auch sonst schon durch höchst üble
Gleichmacherei lästiggefallene hierorts
aufhaltsame Mannsperson, namens
Tod, auch Freund Hein genannt,
von Beruf Knochenmann. Besagter
ist vermutlich staatenlos, also Ausländer
und religionslos. Er ist im Bei-
treibungsfalle in das hiesige Unter-
suchungsgefängnis zu den Akten ein-
zureichen.

Oberstaatsanwalt Linde.

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Jetzt griff Schnitzer mit leiser Sttmme
in die Diskussion ein. Er begann: „Der
dunkle Punkt, auf dem wir sitzen."

Da war die Versammlung schon zu
Ende.

Die Hilfsoperateure der „Ufa" unter-
hielte» die Tapezierer während der Kaffee-
pause bei den Aufnahmen zu „Etzels Tod"
(Nibelungen) mit folgender Legende: Ein

Berichterstatter habe Frau Thea von Har-
bou gefragt, ob es ihr nicht sonderbar vor-
komme, daß ihr früherer Mann: Klein-
Rogge unter der Regie ihres jetzigen
Mannes: Fritz Lang eine Hauptrolle aus
ihrem Manuskript spiele. Da soll die statt-
liche, blonde Frau Thea geflüstert haben:
„Mit meinem ersten Gemahl, dem Klein,
bin ich in Güte fertig geworden. Lassen
Sie ein paar Jahre ins Land gehn, dann
wird der Lang auch k l e i n."

Karl Schnog.

Variante

„Was ist eigentlich Fräulein Ulla für
eine?"

„Sie säet nicht, sie erntet nicht, nur
e i n Herr ernähret sie doch."
 
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