Zeichnung von A1ol< Ilorath
Akaöemisches Ketzergericht
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DibtiaiNA«
„Ferner behauptet der beschuldigte Herr Privatdozent in einer seiner Schriften, daß seit 1789 die republikanische StaatSform in
ständigem Vordringen sei. Schon hierin offenbart sich ein erheblicher Tiefstand des geistigen Niveaus, ein vollkommener Mangel an
Objektivität, ruhiger Sachlichkeit und geistiger Würde."
Enalich hat das sichre Mittel
Unsres Aufstiegs sich gefunden:
Am neuaufgewichsten Titel
Wird das deutsche Volle gesunden!
DER TITEL
Der Hauptausschuß des Reichstags hat die Wiedereinführung von Titeln beschlossen.
Ja, man zieht die letzte Gräte Mach dem völligen Bankrotte
Allen äußern Machtbestrebens
Schlüpft der Deutsche in die Grotte
Aus dem Untertanenschleime;
Exzellenzen wuchernf Räte/
Wirkliche und ganz Geheime.
Seines reichen Innenlebens.
Wenn er dort in Träumen dichtet,
Bleibt ihm gänzlich unbenommen,
(Ist sein Ansehn auch vernichtet)
Desto mehr - sich vorzukommen.
Andre mögen sich entfalten/
- Andre Völker/ andre Mittel ~
Bleib’ du beim bewährten Alten;
Deutsches Volk, verleih dir Titel! Mich, von Lindenhecken
Hallo, Gumbel!
Ehem — nun tja, der Fall hatte Schule
gemacht. Diesem Burschen, diesem Gumbel,
diesem Iudenjungen hatte man eö ordentlich
gegeben. Was war es gewesen? Was hatte
er auSgefreffen? Richtig, das glorreiche
Andenken unserer guten braven feldgrauen
Freunde aus den Proviantämtern und
Etappenlazaretten hatte er gelästert; die
ruhmreichen alten Farben geschmäht —
na, und außerdem war der Lümmel auch
noch Republikaner, Pazifist, Sozialist -
weiß Gott, was sonst noch Deutschabträg-
liches! Hallo, Gumbel! Man würde es
ihm schon zeigen! Man würde ihm Würde
beibringen, MoreS lehren, Deutschbewußt-
sein einbläuen, wennS not tat — wozu
hatte man denn die Werbestelle an der
Universität für den Iungdo eingerichtet?
— mit heiler Haut sollte er jedenfalls
nicht davonkommen, der Lumich, nachdem
unser alter Hindenburg wotanseidank
Reichspräsident geworden war und dir er-
foderliche Deutschatmosphäre wiederher-
geftellt hatte . . .
DaS Heidelberger Universitätsgericht
klopfte sich munter im Takt die Denker-
stirnen. Ehem, jetzt mußte man freilich
abwarten, was der Novemberling von
Kultusminister antworten würde. An-
standshalber. Inzwischen durfte man
natürlich nicht müßig sein. Es hieß über-
haupt mal gründlich durchgreifen! Allent-
halben machte sich noch auf den deutschen
Lehrstühlen das schwarz rotgelbe Gesocks
breit. Dagegen mußte endlich energisch
vorgegangen werden. Die Universitäten
waren doch schließlich nicht für den Fort-
schritt da! Sondern für Thron und Altar,
selbstverständlich. Na, dann also man los!
Mit Gottes Hilfe, wie unser Hindenburg
immer sagt.
Sie setzten sich hin und ihre Federn in
Bewegung. Bald hatten sie ihr Wert
beisammen. Cs hieß „Bund natio-
nalgesinnter Hochschullehrer
E. V." und wurde sogleich dem National-
verband Deutscher Offiziere sowie dem
Reichslandbund im KartellverhältniS an-
gegliedert. Das Präsidium übernahm
Geheimrat Roethe. Den Kampfausschuß
leitete Herr Karfreytag-Loringhoven. Ihm
fiel die Hauptarbeit der Zukunft zu.
Allerdings auch das Hauptvergnügen.
Es war eine reine Freude, im Kampf-
ausschuß zu leben! Und wie der deutsch
wirkte — ehem, er tat sein Bestes. An
Hand exakt wiffenschaftlicher Methoden
gliederte er seine Betätigung in zwei Teile.
Im ersten wurde köpf-, im andern hand-
gearbeitet. Die GeifteSkampfgruppe unter
Führung des ProfefforS Dinier focht
mit der Schreibmaschine und dem Mund-
Werkzeug. Sie setzte durch ausgiebige Be-
nutzung von Wort und Schrift die obli-
gatorische Blutprüfung für akademische
Lehrer durch. Wer ihr nicht standhielt,
verfiel dem Bierverschiß. Er durfte nur
in leeren Hörsälen unter Assistenz der
Pedelle dozieren, wurde am Schwarzen
Brett als fremdstämmig gebrandmarkt und
kriegte ein Hakenkreuz an die Hosennaht
genäht. Außerdem wurde er in die zweite
Klaffe des ProfefforenstandeS versetzt.
Dann kamen die zwar arischen, aber
immerhin nntinational Verrotteten dran.
Ihnen wurde der Unterricht nur nach er-
folgter Zensur des Manuskriptes durch den
Ausschuß gestattet. Übrigens durften sie
Vorlesungen lediglich in den Disziplinen
der Zahnheilkunde und der National-
theologie halten, wo sie, wie man hoffte,
das geringmögliche Unheil anrichten
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Akaöemisches Ketzergericht
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„Ferner behauptet der beschuldigte Herr Privatdozent in einer seiner Schriften, daß seit 1789 die republikanische StaatSform in
ständigem Vordringen sei. Schon hierin offenbart sich ein erheblicher Tiefstand des geistigen Niveaus, ein vollkommener Mangel an
Objektivität, ruhiger Sachlichkeit und geistiger Würde."
Enalich hat das sichre Mittel
Unsres Aufstiegs sich gefunden:
Am neuaufgewichsten Titel
Wird das deutsche Volle gesunden!
DER TITEL
Der Hauptausschuß des Reichstags hat die Wiedereinführung von Titeln beschlossen.
Ja, man zieht die letzte Gräte Mach dem völligen Bankrotte
Allen äußern Machtbestrebens
Schlüpft der Deutsche in die Grotte
Aus dem Untertanenschleime;
Exzellenzen wuchernf Räte/
Wirkliche und ganz Geheime.
Seines reichen Innenlebens.
Wenn er dort in Träumen dichtet,
Bleibt ihm gänzlich unbenommen,
(Ist sein Ansehn auch vernichtet)
Desto mehr - sich vorzukommen.
Andre mögen sich entfalten/
- Andre Völker/ andre Mittel ~
Bleib’ du beim bewährten Alten;
Deutsches Volk, verleih dir Titel! Mich, von Lindenhecken
Hallo, Gumbel!
Ehem — nun tja, der Fall hatte Schule
gemacht. Diesem Burschen, diesem Gumbel,
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gegeben. Was war es gewesen? Was hatte
er auSgefreffen? Richtig, das glorreiche
Andenken unserer guten braven feldgrauen
Freunde aus den Proviantämtern und
Etappenlazaretten hatte er gelästert; die
ruhmreichen alten Farben geschmäht —
na, und außerdem war der Lümmel auch
noch Republikaner, Pazifist, Sozialist -
weiß Gott, was sonst noch Deutschabträg-
liches! Hallo, Gumbel! Man würde es
ihm schon zeigen! Man würde ihm Würde
beibringen, MoreS lehren, Deutschbewußt-
sein einbläuen, wennS not tat — wozu
hatte man denn die Werbestelle an der
Universität für den Iungdo eingerichtet?
— mit heiler Haut sollte er jedenfalls
nicht davonkommen, der Lumich, nachdem
unser alter Hindenburg wotanseidank
Reichspräsident geworden war und dir er-
foderliche Deutschatmosphäre wiederher-
geftellt hatte . . .
DaS Heidelberger Universitätsgericht
klopfte sich munter im Takt die Denker-
stirnen. Ehem, jetzt mußte man freilich
abwarten, was der Novemberling von
Kultusminister antworten würde. An-
standshalber. Inzwischen durfte man
natürlich nicht müßig sein. Es hieß über-
haupt mal gründlich durchgreifen! Allent-
halben machte sich noch auf den deutschen
Lehrstühlen das schwarz rotgelbe Gesocks
breit. Dagegen mußte endlich energisch
vorgegangen werden. Die Universitäten
waren doch schließlich nicht für den Fort-
schritt da! Sondern für Thron und Altar,
selbstverständlich. Na, dann also man los!
Mit Gottes Hilfe, wie unser Hindenburg
immer sagt.
Sie setzten sich hin und ihre Federn in
Bewegung. Bald hatten sie ihr Wert
beisammen. Cs hieß „Bund natio-
nalgesinnter Hochschullehrer
E. V." und wurde sogleich dem National-
verband Deutscher Offiziere sowie dem
Reichslandbund im KartellverhältniS an-
gegliedert. Das Präsidium übernahm
Geheimrat Roethe. Den Kampfausschuß
leitete Herr Karfreytag-Loringhoven. Ihm
fiel die Hauptarbeit der Zukunft zu.
Allerdings auch das Hauptvergnügen.
Es war eine reine Freude, im Kampf-
ausschuß zu leben! Und wie der deutsch
wirkte — ehem, er tat sein Bestes. An
Hand exakt wiffenschaftlicher Methoden
gliederte er seine Betätigung in zwei Teile.
Im ersten wurde köpf-, im andern hand-
gearbeitet. Die GeifteSkampfgruppe unter
Führung des ProfefforS Dinier focht
mit der Schreibmaschine und dem Mund-
Werkzeug. Sie setzte durch ausgiebige Be-
nutzung von Wort und Schrift die obli-
gatorische Blutprüfung für akademische
Lehrer durch. Wer ihr nicht standhielt,
verfiel dem Bierverschiß. Er durfte nur
in leeren Hörsälen unter Assistenz der
Pedelle dozieren, wurde am Schwarzen
Brett als fremdstämmig gebrandmarkt und
kriegte ein Hakenkreuz an die Hosennaht
genäht. Außerdem wurde er in die zweite
Klaffe des ProfefforenstandeS versetzt.
Dann kamen die zwar arischen, aber
immerhin nntinational Verrotteten dran.
Ihnen wurde der Unterricht nur nach er-
folgter Zensur des Manuskriptes durch den
Ausschuß gestattet. Übrigens durften sie
Vorlesungen lediglich in den Disziplinen
der Zahnheilkunde und der National-
theologie halten, wo sie, wie man hoffte,
das geringmögliche Unheil anrichten
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