Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Lachen links: das republikanische Witzblatt — 2.1925

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8804#0358
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Karl Schnog / DER

Prolet, wenn du des Sonntags nicht mehr pennst,
statt dessen wanderst, ruderst, rennst;
wenn du am Abend nicht im Kino nockst,
statt dessen fußballst oder boxt,
lernst du des Jiu-Jitsu-Kampfs Gesetze:

Mensch, das ist Hetze!

Baron, wenn Sie den Bac-Tisch überhaben
und früh um neun stolz auf dem Leihgaul traben;
wenn Sie mit Meckern, Handk iß und Verneigen
die weiße Hose auf dem Golfpla'z zeigen
und jagen mit dem Holz die Fliegen fort:

Herr, das'ist Soort!

UNTERSCHIED

Prolet, wenn du kein Geld zur Kneipe bringst,
Stafetten abgibst oder stabhochspringst;
wenn du begeistert neue Zeilen schwimmst,
auf alte Weiber keine Rücksicht nimmst
und nicht beschnüffelst, wer die Scham oerletze;
Mensch, das ist Hetze!

Baron, wenn Sie im unbezahlten Auto rasen,
der Treiber Schlachtvieh vor Ihr Knallrohr blasen:
wenn Sie zum Spaß auf Reisigsammler zielen,
mit Jugendbünden kleinen Weltkrieg spielen.
[Wofür man sich das Geld von Juden schnorrt)
Herr, das ist Sport!

Nationales Sportfest

Das große nationale Sportfest im
Stadion war traun eine vaterländische
Tat. Die verschiedensten Berufe be-
teiligten sich und die Organisation hatte
dabei ein System wahlverwandter Be-
tätigungen in Anwendung gebracht. Emil,
ein getrüffelteS Greenhorn, bittet seinen
versierten Freund August, seinem Ver-
ständnis tunlichst nachzuhelfen. Danach
hebt August an:

Also auf dieser Bahn, mein Junge,
bemerkst du das Autorennen „Rund um
den Größenwahn", nicht wahr?

Emil: Prachtvoll! Aber, mein Gott,
was machen sie für fürchterlichen Lärm?

August: Lieber Freund, eS ist ja

auch die Propagandafahrt notleidender
Prominier und hungernder Filmftare, ver-
stehst du, mit der !OOO-Mark-Gage als
Grand-prix. Aber dort siehst du die
Sieger im Wettschwimmen auö dem In-
flationsbassin ans Land steigen. Sie wer-
fen den Aufwertungsschwimmgürtel ab
und der tägliche Kronprinz - er macht so
'nen netten geretteten Eindruck, wie? —
hängt ihnen soeben den „B.-Z.-Preis der
Düfte" an's Pochtmonneh. Nichts gebt
über die erprobte Anhänglichkeit, wie der
Galgen zum Henker sagte. Fürwahr, ein
historischer Moment! Dort, in der Mitte,
ist der Startplatz für das nun hoffentlich
bald beginnende Wettfliegen der Staats-
anwälte und weiter . . .

Emil: Guck mal: Geht der da zu
seiner eigenen Beerdigung? Mit dem
Kranz um den Hals?

August: Nee, er ist nochmal gerade
dran vorbeigekommen. Es ist der Sieger
in der großen Motorradentwertungsfahrt
„Quer durch die Pleite" auf „Ganeff"-
Rad. Drei „Ganeffs" am Start, drei
„Ganeffs" am Ziel, verstehst du, deutsche
Spitzenleistung, mein Junge!

Emil: Warum feixt denn der

Kerl so?

August: Psch . . .1! Er hat doch
'n amerikanischen Motor eingebaut. — Im
ganzen sind es 11 Sieger.

Emil: Ah - sehr interessant! Wie-
viel Teilnehmer gab es denn?

August: Zehn.

Emil: Was sind denn das da für
sonderbare Gestalten?

August: Wo denn? Ach so, das ist
die Springkonkurrenz der Redaktionöftäbe
einiger demokratischer Zeitungen.

Emil: Aber die springen ja gar nicht!

August: O —, da mußt du nur
warten, bis der Kronprinz in die Nähe

korumt. Tja, ,da ist Organisation, mein
Junge! Im Boxring steigt soeben die
225 ste Runde zwischen zwei Matadoren
der Regierungsparteien.

Emil: 225! Mein Gott, wie halten
sie denn das aus?

August: O — sie schlagen sich eben
nur an die Köpfe. — Weiterhin hast du
den preußischen Ministerkurzstreckenlauf,
eine an Beliebtheit ständig zunehmende
Sportart und . . .

Emil: Was bedeutet das aufgehängte
Portefeuille dort?

August: Es bezeichnet Start und

Ziel des nationalen Blätterwaldlaufs
„Rund um den Sicherheitspakt". Und die
markante Luthergeftalt dort droht Westarp

Sport öer oberen Zehntausend

'Zeichnung ron Hans Kossatz

„Die neuen Sportkoftüme hätte uns Papa
gekauft. —

Wozu jetzt noch die überflüssige Anstrengung."

oder irgendeinen anderen gegen Stresemann
geschleuderte Bannbullen öffentlich zu ver-
brennen. — Aber lieber Freund, vermag 1
denn keine nationale Tat, keine der deutschen
Produktionen, dich zu begeistern?

Emil: Also komm, trinken wir 'n 1
Weinbrand! Gustav IunghanS.

Sutzball

In Nrw-OrleanS U. S. A. findet ein
internationales Fußballmatsch statt. Unter
den prominenten Zuschauern ist auch
General Dawes, der Mann der Repara-
tionsprobleme. Mit dem Blick des sport-
lichen Feinschmeckers folgt er dem Kampf.
Sieht die wütenden Versuche, den Ball
ins feindliche Lager zu treiben, sieht
wimmelnde Beine ihn schwungvoll von sich
treten, sieht die Torwächter mit großem
Abscheu und wildesten Verrenkungen den
Ball abwehren, sieht wirbelnde Gruppen,
aus denen hin und wieder der Ball wie ein
Sektpfropfen herausschießt.

Und nickt befriedigt, als endlich das
Resultat 0 :0 verkündet wird. Zufällig
rollt ihm der Ball vor die Füße. DaweS
nimmt ihn auf. „Made in Germany“
steht drauf.

„Damned Germans!“, brummt ein
Engländer.

„Ja, ja, die Sachlieferungen!", meint
der große Mann und klopft feine Pfeife
aus. I - s.

Anrüchige Geschichte

Wo man singt, da laß dich ruhig nieder,
böse Menschen . . .

Wer taktlos ist, ist auch taktlos.

In einem deutschen Witzblatt, das allge-
mein die Eleganz vom Vorjahr kultiviert,
reimt Rudolf PreSber sein Gedicht auf
Hindenburg, der sein PräsidrntenpalaiS um-
möbliert.

Tragisch wird diese Geschichte, als er
Hindenburg in das „ganz private Örtchen"
eintreten läßt.

Hier gefällt ihm - so singt der Dichter
- die von feinem Vorgänger angeordnete
leere rote Wand nicht, und PreSber läßt
Hindenburg beschließen, daß Moltke, Bis-
marck ufw. auf die Wand porträtiert wer-
den.

Ich finde, diese Geschichte hat eine gute
Pointe. — gg.

Frankreichs farbige Truppen

Ein nationalistisches Berliner SensationS-
blatt wird auSgerufen mit der Schlagzeile:
„Abzug der Marokkaner .von der Ruhr!"

Gedankenvoll fragt ein Passant: „War
denn A b d e l Krim schon s o weit vor-
gedrungen?"

354
 
Annotationen