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Lachen links: das republikanische Witzblatt — 2.1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.8804#0478
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Erich Weinert / Schulreaktion

Da die Monarchie nicht reparabel,

Die sich stets als Glauberushort erwies,
Prägte man die alte Pfaffenfabel
Vom verlornen deutschen Paradies.
Die gekrönten christlichen Idioten
Sind noch immer (offiziell!) verboten.
Aber einmal sind sie wieder da
Als die gottgesandten Himmelsboten.
Gott mit uns! Halleluja!

Mit dem alten deutschen Einheitsgotte
Lösten wir seit achtzehn den Kontrakt.
Und die p astorale Staatsklamotte
Wurde untertänigst eingepackt.
Religion war nun Privatvergnügen.
Doch die nationalen Himmelsziegen
Sangen: Soli Deo Gloria!

Einmal miuß der deutsche Gott noch
siegen!

Gott mit uns! Halleluja!

Die Festschrift

Bei Tagungen bekommt man Festschrif-
ten. Festschriften sind in der Regel dazu da,
nicht gelesen zu werden. Auf dem „Deut-
schen Richtertag" nahm auch ein älterer
Herr teil, der in Kollegenkreisen dafür be-
kannt ist, daß sein Wissensdrang sich selten
an Gedrucktem austobt. Auch dieser bekam,
wie die anderen Besucher der Tagung, einen
Umschlag mit Inhalt.

„Waö ist das?" fragte er einen Kollegen.

„Festschrift!" grinste der.

„FamoS, bringe ich meiner Frau mit!"

Und er tat es. Warum sie ihm das dem
Umschlag entnommene Heftchen nach kurzem
Durchsehen entrüstet an den Kopf warf und
das Zimmer verließ, wurde ihm erst klar,
als er sich nun die „Festschrift" etwas näher
besah.

Es war eine Werbeschrift für die Ab-
schaffung des § 175, die ein humanitäres
Komitee den deutschen Richtern hatte über-
reichen lassen. K n u k S.

Gute Aussicht

Zwei Arbeiter treffen sich.

„Paß uff", sagt der eine, „fetzt wern de
Fleischpreise bald zurückfehn, Maxe."

„Wat?"

„Aber fewiß doch! Boi de Stadtverord-
netenwahlen fibts fa wieder fenuch Rind-
viecher."

Klein und häßlich war sie schon ge-
worden,

Die gebenedeite Republik.

Und die kathedralen Palmenorden

Finanzierten eine Heilsfabrik.

Dieses Volk, in Häresie verschimmelt,

Wurde wieder klerikal durchhimmelt,

Republik a non re publica.

Und das Ministrantenglöckchen bim-
melt:

Gott mit uns! Halleluja!

Plötzlich fühlte man sich gottbegeistert.

Durch die Schulen zog der alte
Qualm.

Alle Fenster wurden zugekleistert.

Und die ganze Gegend roch nach
Psalm.

Denn das Weltliche war viel zu ledern.

Die neue Loreley

Zeichnung von Herbert Anger


n

Er sieht nicht die Felsenriffe,

Er schaut nur hinauf in die Höh'!"

Giftgas-Schüttelreim

Man fabrizierte munter Senfgas,
Indes der Völkerbund zu Genf faß...

M. v. L.

Kindesseele schwingt auf Engelsfedern,

Wissensstoff ist nur Allotria. —

Und die Bäffchen sangen von Kathe-
dern:

Gott mit uns! Halleluja!

Die Kathol’schen und die Protestanti-
schen

Machen einen Seelengasangriff.

Werden sie den freien Geist verman-
schen

Der auf ihre Paradiese pfiff?

Wagen die euch wieder abzustempeln?

Kinder, laßt euch nicht den Geist ver-
krempeln!

Rächt, was euren Vätern einst geschah!

Treibt die Glauberuskrämer aus den
Tempeln!

Gott mit uns! Halleluja!

Von der Reichswehr

Auch die Reichswehr . . .

Aber wartet ab.

Da unterwegs bei Manövern kein Offi-
zrerskasino ist, die Offiziere aber gern Fran-
zosen die Hälse brechen und sei eS auch nur
französischen Sektflaschen, nimmt man auch
zu dem Mecklenburger Manöver in einem
Bagagewagen Wein mit. Ein etwas
höherer Offizier, ich kenn mich da nicht aus,
entdeckt den Wein. Wütend stiebt er, denn
er war zu Pferde, auf den Hauptmann der
Kompagnie los.

„Herr Hauptmann, Sie wissen doch, Ex-
zellenz - und wenn Exzellenz das sieht!
Konnten Sie nicht die Hälfte wenigstens
per Bahn schicken?"

Der Hauptmann aber war nicht verlegen
und so antwortete er hackenklappend:

„Ist bereits geschehen." -gg.

Schweres Leid

Amtsrichter M., Korpsstudent, Reserve-
leutnant a. D., glühender Monarchist,
macht eine traurige Miene.

Seine Gattin: „Was hast du denn,

Männe?"

Der Herr Amtsrichter: „Ach, ich war
heute verurteilt, einen deutsch-
nationalen Missetäter zu
verurteile n."

Hans Harbeck / T r o st 1 i e ö

Wenn dir der neue Hermannsgeist
wie Tabaksrauch ins NaSloch beißt,
und wenn dich Hitlers Schnurrbart sticht
aufreizend in daö Angesicht -
Hab Sonne im Herzen
und Gummi im Munde,
das leuchtet voll Licht dir
die dunkelste Stunde!

Wenn dich die Steuerschraube zwackt,

wenn man dich bei der Gurgel packt,

wenn außer krasser Wohnungsnot

dir auch noch Brot- und Fleischnot droht —

Hab' Sonne im Herzen

und Gummi im Munde,

daö weitet zum Saal dir

die engste Rotunde!

Wenn man die Republik bespeit
und monarchistisch tut und schreit,
wenn man dich militärisch drillt
und deine Freiheitsträume killt -
Hab' Sonne im Herzen
und Gummi im Munde,
dann hältst für Musik du
das Bellen der Hunde!

Wer gläubig in die Sonne schaut
und Gummi kaut und Gott vertraut,
der sieht in Hindenburg Laffalle
und ist vergnügt auf jeden Fall —

Hab' Sonne im Herzen
und Gummi im Munde,
dann kannst du verschmerzen
die tödlichste Wunde!

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