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Lachen links: das republikanische Witzblatt — 2.1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.8804#0514
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Daß man die Fundamente kernhaft füge/

Schriebst Du des neuen Deutschland Grundriß auf.
Vom Quaderstein bis £u der Säulen Knauf
Trägt das Gebäude Deines Geistes Züge.

Wohl bietet Gegnern heut die Halle Dach:

Ihr Übermut beschmiert nur Tisch und Wände.
Des Geistes starke Kraft hält sie in Schach.

Wieviel davon auch Haß und gift’ge Züge
Abbröckelten in wirrer Zeiten Kauf/

Noch überragt Dein Bau der Neider Häuf:

Den Besten Deiner Zeit tat st Du genüge.

Vom Baue selber lassen sie die Hände.

Und wie sie zaudern, steht das Volk schon wach/
Daß es, Besitz ergreifend/ ihn vollende!

Hochwasser

Eine Geschichte, wie sie in unseren Tagen durchaus möglich ist.

In der Weihnachtswoche war über-
raschend Tauwetter eingefallen. DaS grüne
Wasser der Donau färbte sich ockergelb,
braun, stieg, stieg und stieg. Sträucher
trieben stromabwärts, zwischen den Wurzel-
armen saßen frierend versprengte Hasen.
Die Flut trat aus den Ufern und warf
Schlamm in die Keller. Durch die Straßen
der kleinen Stadt plätscherten Boote.

Ein Stück vor den Toren lagen neben,
einander zwei niedrige Häuser am Strom.
Jakob erwachte um die Morgendämmerung.
In seinem Zimmer zur ebenen Erde
spiegelte Wasser. Er weckte seine Frau und
befahl ihr zu den Eltern in die Stadt zu
gehn. Er wolle noch einige wichtige Papiere,
Schmuck und dergleichen retten, einen Teil
der Möbel auf den Dachboden schaffen und
ihr dann folgen. Auch Heinrich, den Nach-
bar, wolle er verständigen. Die Frau ging
und als sie im Nebel verschwunden war,
watete er zum Boot, das hinterm Haus
hing am Pfosten, der nur mehr mit rundem
Kopf aus der gelben Flut spähte. Er setzte
sich auf die Ruderbank, zündete sich eine
Pfeife an und beobachtete gleichmütig daö
stetige Anschwellen deS Flusses. In Hein-
richs Haus regte sich nichts. Weit und breit
war nur Nebel und' Wasserfläche. Wie
Inseln dunkelten die beiden Häuser. Als
der Fluß bis zu den Fenstern des ersten
Stocks gestiegen war, trieb Jakob das Boot
mit langsamen Ruderschlägen gegen Hein-
richs Haus und polterte dort an die Läden.
Heinrich, aufgescheucht, sah aus dem Fenster,
sah Wasser, Wasser, gelb, strudelnd, und
Jakobs rettendes Boot. Er erschrak nicht
allzusehr. Uferbewohner müssen immer
darauf gefaßt sein, daß das Element mit
nassen Zungen sie anfällt. Schließlich war
er gegen Schaden versichert und die Stadt
im Boot leicht zu erreichen. Er zog sich

Von Georg B r i t t i n g.

rasch an, fluchte einiges über den gewaltigen
Strom und erschien wieder am Fenster,
Jakob zurufend, er möge das Boot zu ihm
heranbringen, daß er einsteigen könne. Aber
der machte keine Miene es zu tun. Er be-
festigte den Kahn an einem in der Nähe
stehenden Baum, der mit dürren Ästen zum
Himmel griff. Dann begann er bei ver-
schränkten Armen auf Heinrich einzureden,
er solle gestehen, daß er ihn mit Else, seiner
Frau, betrogen habe. Vergeblich beteuerte
Heinrich, daß an dieser Beschuldigung kein
wahres Wort sei, daß Jakob leerem Gerede
Glauben schenke, daß seine Frau, ein Muster
aller Tugenden, ihn mit keiner Silbe und
keinem Blick jemals verraten habe.

Jakob lächelte nur. Das Wasser stieg.
Schon sprang- durch die Fenster des ersten
Stocks, daß Heinrich eine Stiege höher sich
begeben mußte. Jakob schlang die BootS-
kette um den Wipfel des Baums, der
kreischend sich bog. Heinrich redete lang und
eindringlich zu Jakob. Er möge doch kein
Narr sein. Er könne für die Treue seiner
Frau die Hand ins Feuer legen. Nie habe
er auch nur einen Unrechten Griff nach ihr
getan. Er sprach fort, bis Jakob mit
schrecklicher Stimme ihm zurief, er möge
doch jetzt, im Angesicht des Todes, die Wahr-
heit sagen. Heinrich könne ihm nicht mehr
entkommen. Er werde warten, bis er wie
eme graue Katze ersaufe. Wenn er eS wagen
werde, davon zu schwimmen, werde er ihm
mit dem Ruder eins über den Kopf geben.

Der Nebel hing dicht. Die nahe Stadt
war nicht mehr zu sehen. Der gelbe Strom
wälzte sich brummend und klatschte mit
breiten Händen an das Haus. Wenn das
Wasser in der gleichen Schnelle weiter stieg,
mußte es bald das Dach erreichen. Heinrich
beschwor Jakob, vernünftig zu sein. Es sei
ja wahr, er habe Else mit freundlichen

Augen angesehen. Er habe ihr einmal, ver-
stohlen, sogar einen Kuß gegeben. Aber,
bei Gott, dabei habe er ihr doch nichts ab-
gebissen. Das sei doch kein Verbrechen.
Jeder habe einmal eine schwache Stunde.
Das dürfe Jakob nicht so gewaltig krumm
nehmen. Er solle ihn doch um Gottes
Willen jetzt ins Boot nehmen und in die
Stadt rudern.

Jakob verharrte in seinem schrecklichen
Lächeln. Heinrich fing wieder an zu sprechen.
Einmal, aber, bei allen Heiligen, nur ein-
mal, habe er ihn mit Else betrogen. Die
Weiber, die seien nun schon lüstern nach
fremdem Männerfleisch. Weiber seien wie
Kinder, die von allem haben müßten. Er,
Heinrich, der immer Jakobs Freund ge-
wesen sei, hätte freilich verständiger sein
sollen.

Jakob hatte die Beichte mit Ruhe ent-
gegengenommen. Er spielte mit den Rudern.
Er schaukelte im Boot. Heinrich fuhr fort:
Er könne eö gestehen. Es sei öfters als ein-
mal gewesen. Na ja, die Versuchung. Er
sei auch nur auS Fleisch. Aber so oft, wie
Jakob sich das denke, so oft sei'S wahrhaftig
nicht gewesen. Er solle ihm doch verzeihen
und ihn jetzt ins Boot lassen.

Jakob sagte ihm ins Gesicht, daß er
sterben müsse. Er solle jede Hoffnung auf-
geben. In einer Stunde sei das Wasser so
weit. Er bliebe, um zu sehen, wie Heinrich
vergurgle und verrecke.

Heinrich verlegte sich aufs Bitten, aufs
Betteln. Er weinte, schrie, heulte, fluchte,
weinte . . . Auf einmal verschwand er im
Innern des Hauses. Jakob beobachtete es
unruhig. Es verstrich eine Viertelstunde.
Da erschien Heinrich wieder am Fenster, das
in kleinen Schlucken schon vom Wasser
trank. Er trug die Uniform des Infanterie-

(Fortsehung auf Seite 511.)

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