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Lachen links: das republikanische Witzblatt — 2.1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.8804#0597
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Acichnung von Max Grae^cr

Advent*Zeit ist s wieder! Advent! Wie doch
so seliges Hoffen die Herren der Völker durch*
rieht! Ach ja! Komme ru uns! Laßt uns an*
stimmen Lied 62 des Evangelischen Gesangbuches:

„Komm, du wertes Lösegeld,

Dessen alle Heiden hoffen;

Komm, o Heiland aller Welt,

Tor und Türen stehen offen!"

Wie strahlst du durch die dunkle Nacht!
Komm bald und komm in aller Fülle! Denn die
Not des Kredites ist groß und männiglich suchet
Bargeld! Laßt uns singen Lied 66:

„O wohl dem Land, o wohl der Stadt,

So diesen König bei sich hat!

Er ist die rechte Freudensonn’,

Bringt mit sich lauter Freud und Wenn'!"

Der A 0 pf / Ein hübsches deutsches Wintermärchen

Es war einmal ein Iung-
manne aus der Umgegend
von Hitlo, Werder und Iung-
wolf, dem es nicht mehr be-
hagle, mit Bleisoldaten und
Holzsäbeln zu spielen. Cr
wollte in die Welt hinaus,
um einen Verräter abzukillen.

Aus feines VateröSchreib-
tisch nahm er einen Revolver
und machte sich auf den Weg
ins Lager der Verräter. Der
Weg war nicht schwer zu
finden. Der Iungmanne
brauchte, wie ihn Helden-
bücher lehrten, nur immer
nach links zu gehen.

Also tat er und kam am
dritten Tage an ein Gebäude,
aus dem gerade em Verräter
kam. Ein Schuß knallte aus
der Iungmannen Waffe und
der Verräter fiel um.

Im gleichen Augenblick
entführte eine Fee den kleinen
Helden im e-igenen Auto un-
sichtbar an die Grenze.
Schneller jedoch als das
Auto der gütigen Fee war
die Nachricht vom Tod des
Verräters durch das Land ge-
drungen, und bewaffnete
Männer stellten sich aller-
orts an der Grenze auf, um

Es ist rührend

geickmuny von Friedrich Gaebel

„Ist es nicht rührend, wie kinderlieb die Leutchen bei aller
Einschränkung ~ sind?"

den kleinen Befreier abzu-
fangen. Und da auch eine
Fee nicht unsichtbar über die
Landesgrenze schlüpfen konnte,
wurde der Iungmanne wirk-
lich eingefangen und vor das
Gericht der Verräter gestellt.

Eine große Erregung be-
herrschte das Land, und die
Männer, die ganz links im
Lande wohnten, forderten
laut den Kopf des tapferen
Knaben.

Und so kam eö, daß man
ihn dem Henker auslieferte,
auf daß ihm dieser den Kopf
abschlage.

Jeder merkt, daß es sich
hier in steigendem Maße um
ein Märchen handelt. Aber
dies. Märchen hat noch einen
wahren Schluß.

Drei Tage befaßte sich der
Henker mit dein armen kleinen
Helden. Dann schickte er ihn
zurück mit der Angabe, daß
er dem Wunsche des Gerichts
nicht willfahren könne, aus
dem einfachen Grunde, weil
an dem Delinquenten kein
Kopf zu finden fei.

Und da der Iungmanne
auf diesem Wege nicht ge-
storben tft, lebt er noch beut-..

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