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Das Märchen vom falschen Kaiser

Es war einmal ein Kaiser vom Stamme Nimm, «der lebte
herrlich und m Freuden.

An der Seite ihm zur Linken Hing eine Kinderklapper,
damit Hielt er ferne Reden.

„An mein Volk!" sagte er und raffelte mit dem Dings. Tr
war so vornehm, daß er nicht einen Schritt zu Fuß tat, wenn

er nicht gerade die Front abschritt, sondern immer nn Arno
fuhr. Das Hatte auch eine Hupe, die verfugte genau über
fünf Töne: »6 e e g c imperator rex, b es g b es
imperator rex!“ Der Fürst liebte das Bunte, Glitzernde,
den Prunk und die sensationelle Ausmachung und am besten
gefiel er sich in Uniform. Deshalb war jeder zweite Mensch

CUT. Zeichnung von Alois Ilorath

„Mach' dir keine Sorgen wegen der Kosten hier, Alierchen, le boche payera tout!" — „Mein Kind,
ich bin ein deutscher Fürst, sprich bitte deutsch mit mir und sage- Das deutsche Volk wird alles bezahlen!"

in seinem Land Soldat und die Leute legten es darauf an, nur
Söhne zu kriegen, damit die des Kaisers Rock anziehen durften.
Es gab auch Zivilisten, denn schließlich geht eS nicht ohne die,
aber sehr geachtet waren sie nicht, reiben wir nicht davon. Die
Beamten natürlich ausgenommen. Mer niemand beschwerte
sich darüber, denn das konnte man nicht. Das Volk liebte
seinen Herrscher, wie man Talmiware und Courthsmahler und
bunte Öldrucke liebt, und es stand stramm, wenn in einem

Zeitungsartikel von Ihm die Rede war. Wo die Zulu-
kaffern den Hut abnahmen, legte man die Hände an die
Hosennaht.

Wenn eS in der Politik ein schwieriges Dings zu drehen
gab, wurde der Kaiser rasch auf eine N o rdl and rei se geschickt,
damit er die Geschichte nicht versaute. Die Reise konnte er
sich leisten, materielle Sorgen hatte er keine. Wenn er Pinke
brauchte, erhöhte er einfach die Zivilliste. Die hohen Tiere,

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