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Die

Notverfassung

(Ein Zwiegespräch)

„Also hier ist ein
weißes Quartblatt. Pa-
ragraphenüberschrif-
ten von 1—30 sind
auch schon eingesetzt.
Nun kommt es nur da-
rauf an, einen Text da-
zwischen^ uschreiben."

„Also schreiben Se
man hinter jeden Pa-
ragraphen als Anfang:
Mit dem Tode wird
bestraft . .

„Wer?"

„Wer — das is zu-
nächst ganz pipe.
Hauptsache: es muß
forsch aufgetreten
werden. Schreiben Se
weiter: „Bei Ehrlosig-
keit, insbesondere bei
republikanischer Ge-
sinnung, wird die To-
desstrafe durch Auf-
hängen vollzogen. . ."

„Ja, aber an wem
denn?“

„Das is doch
wurscht. Schreiben Se:
„Das Todesurteil wird
von einem Standge-
gericht gefällt. Frei-
spruch ist unzulässig."

„Aber der Tatbe-
stand. . . .“

„Quatsch. Was brau-
chen wir Tatbestand?
Wir brauchen Tat-
sachen! Schreiben Se:

Deutsche Putsche

Alldeutschlands Geheimrat atmete tief
Und schrieb einen Brief:

„Hochverehrter Herr Bürgermeister!

Die Republik wird täglich dreister.

Bald gehn unsere letzten Hoffnungen futsch,
Machen wir jetzt nicht rasch einen Putsch.

Sie werden Reichskanzler, wenn es losgehl.
Ich garantiere, daß alles famos geht!

Von solchen Sachen verstehe ich was.

Mit bestem Gruß

Ihr ergebener

Claß."

Alldeutschlands Geheimrat zum andern Mal
Schrieb einen Brief: „Herr General!

Soll eö bei uns überhaupt noch flutschen,
Muffen wir putschen!

Sie übernehmen bei der Geschichte
Mit eiserner Strenge die Standgerichte.

Ich weiß, Herr von Moehl, Sie machen das
Ohne falsches Mitleid.

Immer Ihr

Claß."

Und aus dem gleichen frommen Motiv
Schrieb der Geheimrat noch einen Brief:

„Hochverehrter Herr Hugenberg!

Zwar geht hier alles überzwerch,

Doch nur nicht verzagt und am Daumen gelutscht!

Es wird geputscht!

Sie übernehmen die Finanzen.

Das Pack soll nach unserer Pfeife tanzen,

Wir haben nur einen einzigen Haß,

Die Republik!

Mit Gruß Ihr

Claß."

Beim Teut! Die Sache ward entdeckt!

Gleich hat man ein Sprüchlein ausgeheckt,

Für jeden deutschen Mann sei klar,

Kein Wort war' an der Geschichte wahr.

Und stände da was in den Briefen zu lesen,

So sei eö eben nur Scherz gewesen.

Und schon sagen die Hüter der Justiz:
„Verbindlichsten Dank, meine Herren! Man sieht'S:
Ihr Verhalten ist vollkommen einwandsfrei.

Was macht denn bloß die Polizei?

Bestraft muß werden — Sapperment! —

Der naseweise Polizeipräsident.

Und ganz bestimmt verknackt man ihn,

Noch gibt es Richter in Berlin!"

. . . Alldeutschlands Geheimrat lacht sich schief,

Und schreibt bald wieder manch fröhlichen Brief. . . .

Henning Ouderstadt.

Juden werden an den
Beinen aufgehangen."

„Alle?"

„Selbstverständlich.
Halt, hier bei Para-
graph siebzehn ha’m
Se noch vergessen hin-
zuschreiben: „Mit dem
Tode wird bestraft. ."

„Es kann doch nicht
in allen dreißig Para-
graphen dasselbe
stehn?“

„Jrade. Das impo-
niert. Schreiben Se
weiter: Fememör-
der..."

„Was? Fememörder
werden mit dem Tode
bestraft?“

„Bei Ihnen piept’s
wohl? Se sollen schrei-
ben: Fememörder wer-
den mit der Vollstrek-
kung der Urteile be-
traut. Honorar pro
Stück hundert Em."

„Aber wir haben
doch noch immer nicht
gesagt, wer eigentlich
mit dem Tode bestraft
wird!"

„Wer — Mensch,
das find’t sich von sel-
ber, wenn’s so weit is.
Hauptsache: Massiv

drohen. Halt — ich
hab’s. Schreiben Se:
„Ausnahmen finden
nicht statt." — So, das
wär also die Notver-
fassung. Nu woll’n wir
mal an den Aufmarsch-
plan gehn." M. v. L.

Karl Schnog / Die ehrliche Cilly

Im Schloßmuseum die Vasen
gefielen der Kronprinzenfrau.

Als das die Geheimräte lasen,
da sandten sie zweie zur Schau.

Cäeilie dankte unendlich
(da ham sich die Räte jefiehlt!)
und zeigte sich taktvoll erkenntlich,
indem sie die Vasen behielt!

Man hing an der Telephonstrippe
und forderte, flehte und bat.

Doch Cilly riskierte die Lippe:

Sie nehme! Genau wie der Staat!

Mag man auch toben und kollern, als erste vom Haus Hvhenzollern,

ich preise sie offen und laut, die eingefteht, daß sie ... .

Gelegenheiten wahrzunehmen weiß!

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