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Stachus: Die Rechtsorganisation

Dazu braucht man erstens einen Deppen
Aus der schweren Eisenindustrie.

Diesen muß man um die Gelder neppen,
Und er heißt intern: Das fette Vieh.

Zweitens einen Leutenant entweder,

Oder den Korvettenkapitän.

Drittens einen Eid: Wir zieh’n vom Leder!
Gegen was, — das werden wir schon seh’n.

Viertens gilt es ein Vereinsziel finden,
Wohinein das Wahre untertaucht.

Denn der Staatsanwalt muß es begründen.
Warum er nicht einzuschreiten braucht.

Dann heißt’s eine Wochenzeitschrift schaffen
Als den Mentor auf dem deutschen Pfad.
Anzugeben, — woher kriegt man Waffen? —
Dieses wäre glatter Landsverrat.

Nun ein Auto noch (das kann man borgen),
Ein’ge Kilometer Fahnentuch, —

So, nun lebst du glücklich, ohne Sorgen,

Und es reicht selbst für Bordellbesuch.

Vor uns liegt ein Berliner Blättchen aus der KriegSzeit: „Deutsche KriegS-Dcpeschen",

Verlag Kurt Freiherr von Wangenheim. Wir lesen: „Die belgische
Königsfamilie auf der Flucht! Auch nach der Flucht aus Brüssel
fühlt sich die belgische Königsfamilie nicht mehr sicher. Es liegen
schnellaufende Schiffe bereit, um die Königsfamilie in Sicher-
heit bringen zu können. Welch ein Kontrast liegt hierin
zwischen unserem Kaiserhause und diesen Feiglingen
ausgedrückt, die nicht den Mut haben, wenn es
sein muß, an der Spitze der Armee zu
sterben, die vielmehr ohne Rück-
sicht auf Land und Volk nur
an die Flucht denken!"

Wir hatten einen Physiklehrer auf dem Seminar, der unleugbar aus Sachsen stammte. Wir beschäftigten uns in
seinen Unterrichtsstunden damit, seine Bonmots aufzuschreiben. Einmal brannte auf dem Erperimentiertisch eine Gas-
flamme. Er schrieb irgendwelche Formeln an die Tafel an. Plötzlich wandte er sich um, wie von der Tarantel gestochen,
deutele mit seinem Zeigefinger nach Hickmannö Platz und sprach, vielmehr flüsterte mit unheimlich leiser Stimme:
„Higgmann, Se ham geguggd!"

Hickmann hatte nach der Gasflamme gesehen, statt nach der Wandtafel. Herr B. aber wandte sich stumm wieder der
Tafel zu und schrieb weiter. Nach zwei Minuten dasselbe Spiel, er fuhr mit beängstigender Geschwindigkeit herum,
kniff böse die Augen zusammen und hielt folgende Rede:

„Es gibd zwee Glaffen von Menschen. Die Kebildrden un de Unkebildeden. De Kebildeden, das sin diechänichen, die
nach der Wanddavel guggen, wenn der Herr Phisigglährer was draufschreibd." — Pause. Dann mit erhobener Stimme:
„Un de Unkebildeden, das sin diechänichen, die nach der Kaöflamme kuggen, wenn der Herr Phisigglährer kerade beschäftigt
iS." — Pause. Dann, mit donnernder Stimme: „Se ham mich doch verstanden, Herr LähramdSgandedad Higgmann?"

Am Tage
der letzten Parla-
mentswahl in Wien kam
ein sozialdemokratischer Wahl-
agitator zu einem alten Frauchen und forderte
sie auf, wählen zu gehen. „WoS, a Wahl iS heut?

So, so. No, für wem kommen denn Sie!" „No Sie wer'n
doch wie alle armen Leut, sozialdemokratisch wählen?" „Naa,
das tu ich nicht. I wähl christlich, i' wer' mir doch mein Glaub'n net
nehmen lasten!" „Aha, da wollen's g'wiß auch den I5Owfachen Zins (die voll-
aufgewertete Miete) zahlen?" „Naa, dös net — das leiden aber schon die Sozi net!"

Karl Schnog: Figaro

In Berlin WW wurde dieser Tage ein mondäner Frisiersalon eröffnet, der außer allen kosmetisch«
hygienischen Schikanen für die Frauen als Warteraum einen Teesalon, für die Herren eine Bar enthält.

Man soll, wenn andre unter Hunger stöhnen,
nicht allzu frech galantem Laster frönen
beim Figaro.

Der war schon einmal, ohne daß er’s wollte,
der erste Anlaß blutiger Revolte.

Auch das kam so.

Wollt ihr mit euren Freudqnweibern kebsen
am hellen Tage, neben Tee und Schnäpsen
beim Figaro,

dürft dem Passanten ihr auch nicht verübeln,
wenn er vorbeispaziert und statt zu grübeln
brennt lichterloh!

Dann könnte ihn vielleicht die Lust anwandeln,
Euch Herrn und Dämchen einmal zu behandeln
wie Figaro.

Und wenn die harten Fäuste nicht probieren
die ganzen Köpfe runterzurasieren,
dann seid nur froh!

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