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Der Hindenburgbrief

Ja, du ehr* und pflichtvergeß’ner Poebel,
Du enteignungshungriger: Es gibt
Eine höh’re Macht, mit Namen Loebell,
Welche hinter den Kulissen schiebt.

Wie einst Moses mit dem Stabe Wasser
Schlug aus Felsen, dürr und ausgeglüht,
Trifft der Intrigant als Briefverfasser
Hindenbürgerliches Urgemüt.

Gut gezielt! — Er reizt die Tränendrüse.

Wie der Fels im Innern zuckt und gluckt!

Und nun wird schon aus des Mundes Düse
Jäh ein breiter Strahl hinausgespuckt.

Voller Sprudel — man braucht nicht zu geizen! ER, der dreier deutscher Kaiser Diener,
Durch die Rotation millionenfache, Hat gehalten, was er uns versprach.

Strömt sein Naß. Der dürre Fürstenweizen Froh zur Ernte ziehen Schwerverdiener, —

Blüht schon wieder wie in alter Pracht. Nur des Volkes Acker trauert brach.

Aber Loebell im Reichsbürgerrate
Reibt die Hände schmunzelnd und er spricht:
„Welchen Nutzen bringt doch das private
Schreiben, wenn man es veröffentlicht!“ m.v. l.

zum

fyten Gefecht

Der Tag ist da, die Zeit ist reif!
Republikaner, haltet die Ohren steif!

Drauf und dran
Bis zum letzten Mann!

Zwanzig Millionen müssen heran!

Wir pfeifen auf das verlogene Geplänkel
Von Ordnung und Disziplin.

Uns sollen nicht unsre Kinder und Enkel
Zur Rechenschaft zieh’n.

Privilegien sind nur ein Fetzen Papier.

Die Fürsten haben zu zahlen, nicht wir.

Gebt ihnen jetzt die richtige Quittung,

Nach u n s e r m Recht und unsrer Gesittung!

Sie steh’n bei uns in großer Schuld.

Wir hatten zu lange mit ihnen Geduld.

Nun haben wir’s satt!

Macht die Rechnung glatt!

Keinen Groschen für euch und keinen Rabatt!
Wir haben gezählt und nichts vergessen.

Mögen sie noch so schrein,

Eure Speichellecker, eure Mätressen,

Eure Presselakai’n,

Eure Minister und Präsidenten,

Die retten nicht eure Millionenrenten,

Auch nicht die Sprüchlein des Kabinetts.

Der Wille des V o 1 k e s ist höchstes Gesetz!

Wer diesen Monarchen die Stimme gab,

Der gräbt seiner eigenen Freiheit Grab.

Jede Million
Für den Fürstenthron
Ist für das Pulver der Reaktion!

Wer überliefert dem Feind Milliarden?

Denkt daran, was ihr tut!

Ihr kauft den Fürsten Gewehre und Garden!

Es riecht nach Blut!

Der Tag ist da, nun ist es Zeit!

Nicht einer fehle zum Volksentscheid!

Zwanzig Millionen, herauf auf die Schanze!

Es geht um die Freiheit! Es geht ums Ganze! Erich Weinert

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