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Potemkin

Rebe des

Zensors

„Meine Herren, betrach,
ten Sie, bitte, das Wort
„Handgranate". Ein ge-
fährliches Wort, eine
Sache, die geeignet ist, die
breiteste Öffentlichkeit zu
erschrecken. Nun aber neh.
men Sie, bitte, die Hand
weg, so bleibt nur noch die
„Granate" übrig. Ent-
fernen Sie davon daö „e"
am Ende und legen Sie

einen Apfel dafür hin, so erhalten Sie den „Granatapfel",
eine köstliche, wohlschmeckende, erlesene Edelfrucht. Nach die«
sem Rezept, meine sehr geehrten Herren, ist die Filmprüfftelle
mit dem „Potemkin" verfahren. Da ist z. B. die anstößige
Stelle, in der den Matrosen madiges Fleisch zum Genüsse an-
geboten wird. Weg mit dieser Stelle, sie ist ekelerregend, sie
ist anstößig, schon der gute Geschmack erfordert ihre Entfernung.
Oder ist jemand unter den Anwesenden, der sich dafür ein-
setzen möchte, daß der Genuß madigen Fleisches öffentlich
empfohlen. . . .? Na also, danke! Also diese Stelle kommt
fort! Ohne diese Stelle wäre freilich nicht zu verstehen, wes-
halb die Matrosen zur Meuterei gelangen. Folglich fällt die
Meuterei fort, das erfordert schon das künstlerische Prinzip
von der inneren Logik für den Verlauf der Handlung. Poli-
tische Momente fallen für diese Streichung selbstverständlich
nicht ins Gewicht.

Die Säuberung der Straße durch die Kosaken kann bleiben.
Diese Szene ist im Intereffe militärischer Instruktion für die
Reichswehr ganz unerläßlich, zumal es leider unterblieben ist,
den siegreichen Einmarsch in Sachsen im Bilde feftzuhalten.
Da hier aber vorwiegend militärische Belange in Erscheinung


treten, so sind die Szenen
wegzulaffen, in denen die
Zivilbevölkerung vor den
säubernden Kosaken zu-
rückweicht. Diese Szenen
brauchen darum natürlich
nicht zu verschwinden.
Man kann sie sehr pas-
send an anderer Stelle
einrücken, z. B. bei der
Beschießung der Stadt
durch die meuternden
Matrosen. Sie sehen also draußen auf dem Wasser den
„Potemkin" schießen und sehen drinnen in der Stadt die zu-
sammenkartätschte Zivilbevölkerung. Alles übrige am Film
kann bleiben, denn es wäre schade um die schönen lyrischen
Stellen, wie z. B. die Nacht auf dem Meere, den schönen
Hafen, die Versorgung von Kriegsschiffen mit Lebensmitteln,
das Hantieren an den schweren Geschützen, und namentlich wäre
es schade um den Anmarsch der Geschwader. An dieser Stelle
insbesondere wäre das Deutschlandlied zu spielen.

Zusammenfassend möchte ich sagen: Nach einer Umarbeitung
in diesem Sinne ist dem Messer nicht nur die gefährliche Klinge,
sondern auch der feststehende Griff genommen. Der Potemkin-
Film ist danach geeignet, in sämtlichen Schulen, Bildungs-
anftalten und an den Werbeabenden des Deutschen Flotten-
vereins vorgeführt zu werden, ja, man kann sagen, daß dieser
umgearbeitete „Potemkin" um nichts gegen den Friderieuö Rer
an nationaler Zugkraft >zurückftehen wird. Nach alledem, meine
sehr geehrten Herren, hat die Filmprüfftelle keinen Anlaß, daß
anfangs erwogene Verbot des „Potemkin" aufrechtzuerhalten,
sondern sieht sich im Gegenteil veranlaßt, diesem Film die
weiteste Verbreitung zu wünschen." Felix Riemkasten.

Neues aus Doorn.

Die italienische Regierung hat die Absicht, das Achilleion auf Korfu zu einem Spielkasino umzu-
wandeln. Wilhelm von Doorn hat dagegen Protest erhoben unter der Begründung, daß das Achilleion
immer noch sein Eigentum sei, denn er sei „kein deutscher Staatsbürger, sondern ein Souverän ge-
wesen". - Das stimmt weiß Gott: als deutschen Staatsbürger hat man ihn nie ansehen können.

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