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Oie Dreite

Reichsgräfin von Stummdolz-Schwachwitz lehnte in der
Ecke des diskret versiegelten Sofas und studierte zum acht-
hundertsten Male den Stammbaum derer von Stummdolz-
Schwachwitz, der als unpfändbares Familienpapier in ihrem
Besitz geblieben war. Der Reichsgraf dagegen stierte feit
drei Stunden unentwegt auf den Hellen Fleck an der Tapete,
der trübselig die Stelle markierte, wo noch vor kurzem die eigenß«
bändig gewidmete Photographie des Prinzen Friedrich Wil-
helm zu Domela gehangen hatte.

„Siehst du, Egon", ließ sich die Reichsgräfin vernehmen,
„auch dein Urahn, Graf Silviuö Aribert, hat eine Baroneffe
von Rothschild geheiratet, um den drohenden Verfall feiner
Güter abzuwenden."

„Iarnischt jejen einzuwenden", näselte der Baron. Er
überlegte gerade, wen von seinen Klubfreunden er noch nicht
angepumpt hätte, jedoch eS fand sich keiner. „Aber bei uns
iS nifcht zu wollen: ich bin mit dir — hm — bereits reich,
lich versorgt, und unser Junge, der Horst Günther, find't
bei seiner Riesendämlichkeit nifcht hinreichend Bejüterteö. ..."

In diesem Augenblick trat Horst Günther ein. Das Mon-
okel fest eingedrückt, knallte er mit den Hacken und meldete:

„Liebe Eltern — äh - bemerke fubmissest — äh —
Wunsch entsprechend — äh — soeben Hand angehalten. ..."

Die Reichsgräfin strahlte:

„Und wer, lieber Horst Günther, ist deines Herzens Aus-
erwählte?"

„Ah — Dienstmädchen — äh — Anna Pusicke."

Mit gellendem Aufschrei sank die Reichsgräfin in Ohn-
macht. Selbst der Graf verlor sein Gebiß.

Als die Reichsgräfin endlich wieder zu sich kam, stand der
Graf neben ihr, der sie mit Eau de Cologne bespritzte und
auf sie einredete:

„Iö ja alles in Ordnung. Is doch die, der der Onkel aus
Amerika vier Millionen Dollars vermachte."

In freudiger Spannung schnellte die Reichsgräfin empor.
Ihr Antlitz leuchtete Verklärung:

„Und wann werde ich meine reizende, liebe Schwiegertochter
an mein mütterliches Herz drücken dürfen?"

Der Graf räusperte sich verlegen:

„Äh — das is doch eben die Sache — sie hat unserm Iung'n
'n Korb gegeben."

Worauf die Reichsgräfin abermals in Ohnmacht fiel.

Diesmal sogar in eine echte. M. v. L.

Iwanuschkas Meinung

Der Sprunghügel.
Im lieblichen Kreise
Schmalkalden (Thü-
ringen) wird vom
Kulturamt die Zu-
sammenlegung der
landwirtschaftlichen
Grundstücke durchge«
führt. In dem Dorf-
chen Struth wird auf
einem Stück Ödland
für die Gemeinde auch
ein Sprunghügel aue-
gewiesen, damit wäh-
rend des hierzulande
lang andauernden
Winters die Schnee-
schuh laufende Jugend
sich tummeln kann.
Der die Sache bear-
beitende Landmesier ist
auf diese Idee beson-
ders stolz, und als nun
zur Besichtigung des
Projektes kürzlich gar
ein Oberrcgierungörat
vom Landeskulturamt
aus Merseburg er-
scheint, wird ihm in
Erwartung besonderer
Anerkennung auch der
Sprunghügel gezeigt.

Der hohe Vorge-
setzte scheint aber gar
nicht so entzückt zu

Zeichnung von Zalobus Belsen

„Glaubst du, Iwanuschka, daß die (Engländer mit uns Krieg
anfangen werden?"

„Ich glaub's nicht. Sie stnd mit unseren Moskauer Herren zu
arg verfeindet, als daß sie ihnen den Gefallen tun würden!"

sein. Er äußert seine
Bedenken schließlich
mit den Worten:
„Meine Herren, das
sind ja von hier andert-
halb Kilometer bis
zum Orte. Wollen Sie
denn den Bauern zu-
muten, bei schlechtem
Wetter ihr V i e h erst
bis hierher zu füh-
ren?" Lupa.

Zusatz.

Amtsrichter Fromm,
frisch vermählt, inner-
lich aber durchaus mit
seinem Dezernat be-
schäftigt, wird einige
Tage nach der Hochzeit
von seiner jungen
Frau gefragt:

„Sag, Liebster, wie
wünschst du eigentlich
den Kaffee: mit Zu-
satz oder ohne Zusatz?"

Worauf Amtsrichter
Fromm, aus den Wol-
ken einer imaginären
Zeugenvereidigung
fallend, zerstreut und
ärgerlich erwidert:
„Selbstverständlich
mit religiösem Zusatz."
 
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