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Dom höchsten Gericht

„Eejendlich derfense hier nich
raachen!" Mit diesen treu-sächsischen
Lauten begrüßte mich der Türhüter des
Reichsgerichts, als ich, eine erloschene
Tabakspfeife im Mundwinkel, das
Portal des imposanten Gebäudes
öffnete.

Tatsächlich, im Reichsgericht ist daS
Rauchen strengstens verboten. Nicht
nur — selbstverständlich — in den
Sitzungssälen, sondern auch auf Gän-
gen, Korridoren, im Atrium. Ein
grämlicher Gerichtsdiener „spannd uff
de Radde", daß nicht etwa während
einer Sitzungspause ein heimlicher
Sünder sein „Stäbchen" erglim-
men läßt. Dies muß vorausgeschickt
werden. Denn am zweiten Tage
des großen Geheimbundsprozesieö belehrte mich ein beizen-
der Duft, warum in einer gewissen Räumlichkeit, die gemeinhin
erleichternden Verrichtungen dient, ein Plakat hing mit der
seltsamen Verwarnung:

Der ständige Aufenthalt in diesem
Raum während der Sitzungspausen ist streng
verboten.

Wie gesagt, man muß das Rauchverbot kennen, um zu
ahnen, was den „ständigen Aufenthalt" in dem zwar geräu-
migen, sonst aber wenig einladenden Raum so verlockend macht.

Einen Raucher aber muß eö schwer gewurmt haben, daß auch
dies letzte Asyl ihm verschlossen wurde. Am fünften Verhand-
lungstage fand ich daö Plakat verändert. Vor das zweite

Wort waren mit Blaustift die Silben
„unan" gekritzelt. . . .

Furchtbar streng ist auch die Per-
fonen-Kontrolle im Reichsgericht. Weh
dem, der nicht schon am Portal seinen
„Aasweis" vorzeigt.

So war es auch einst im Iagow-
prozeß keine Kleinigkeit, bei der Ver-
handlung gegen die Kappiften ins
Allerheiligfte zu gelangen.

Wem es geglückt war, der durfte in
der ersten Vormittagssitzung Zeuge
eines heiteren Dialogs fein.

Vorsitzender: „Herr von

Iagow, Sie heißen mit Vornamen?"

Angeklagter v. Iagow:
(militärisch kurz): „Traugott!"

Vorsitzender: „Ihr Beruf?"
v. Iagow (w. o.): Polizeipräsident a. W."
Vorsitzender: „Sie wohnen?"
v. I a g o w (stutzt): Ah — natürlich — bei Hausse!"*)

Am Nachmittag jedoch ereignete sich die Katastrophe. Das
Gericht wollte nach der Pause mit frischer Kraft beginnen,
aber der Hauptangeklagte war nicht zur Stelle. Große Ver-
legenheit auf der Verteidigerbank: Ein unerklärlicher Vorgang,
Herr v. Iagow sei nur wenige Schritte hinter seinem Ver-
teidiger zum Reichsgerichtsgebäude gegangen. Irgendein rätsel-
hafter Unfall ....

Aber der Unfall entpuppte sich als Zwischenfall: Der
Pförtner ließ Herrn v. Iagow nicht ein, weil er — keinen
„Aasweis" hatte! du>.£.

*) Vornehmstes Hotel in Leipzig.

Beförderungsproblem

Zeichnung von Max Graeser

o

„Und was wir Eisenbahner zum
Stahlhelmtag geleistet haben! Ich
habe allein auf meiner Station sooo
Stahlhelmleute befördert."

„Und, Herr Stationsvorsteher, -
wann werden Sie befördert?!"

Zeichnung von Alois Jlorath

Ein amerikanisches Konsor-
tium wollte in Berlin einige zig-
tausend Wohnungen bauen.
Nicht aus purer Menschen-
freundlichkeit, aber zu immerhin
annehmbarenBedingungen. Bau-
kostenzuschuß wurde nicht ver-
langt, begonnen werden sollte
sofort und nach fünfzehn Jahren
sollten die Häuser sogar in den
Besitz der Stadt übergehen.

Die berlinischen Bauherren
waren schon ganz entsetzt über
diesen unlauteren Wettbewerb
und machten sich in der Stille
mit dem entsetzlichen Gedanken

vertraut, in Zukunft mit weniger
Profil bauen zu müssen. Da
half Gott. Die Amerikaner
wollten ihre Bauten vier Stock-
werke hoch aufführen. Das er-
laubte aber der - Wohlfahrts-
minifter nicht. Und so wird das
ganze Projekt zu Wasser werden.

Aber der Wohlfahrtsminifter
hat daS Deutschtum wieder ein-
mal gerettet und für die Wohl-
fahrt seiner begüterten Lands-
leute gesorgt. Mögen die Mieten
steigen, die Stockwerke dürfenö
nicht. Er erlaubt nur drei.

Höher gehts nimmer K.s.

Oie Doget/cheuche
 
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