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Feininger, Lyonel [Ill.]; Langner, Johannes [Oth.]
Lyonel Feininger - Segelschiffe — Werkmonographien zur bildenden Kunst in Reclams Universal-Bibliothek, Band 76: Stuttgart: Reclam, 1962

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.65783#0018
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Diese neue Phase von Feiningers Stil hat man „im-
pressionistisch“ genannt und auf die Verwandschaft mit
William Turner hingewiesen, dem englischen Vorläufer
des Impressionismus. Feininger hat Turners Bilder ge-
kannt und von Jugend auf hoch geschätzt. Manche An-
regung mag er ihm verdanken, insbesondere in seiner
späteren Zeit. Doch während Turners Marinen den
Gegenstand hinter den übersteigerten Eindrücken atmo-
sphärischer Erscheinungen verschwinden lassen, so daß
sie schließlich zu bloßen Harmonien aus Nebeln von
Farbe und Licht werden, verzichtet Feininger nie auf
die Linie, die aus der Folie der Farbe den Gegenstand
— wenn auch nur andeutend — herauskristallisiert. Die
Linie, fast ausschließlich die reine Gerade, bleibt auch im
späteren Stil des Meisters das Mittel, dessen klärender,
konstruktiver Rationalismus seine Kunst von den rein
optischen Erlebnissen der Impressionisten unterscheidet.
Deutlich zeigt dieses Verhältnis von Farbe und Linie
das Aquarell „Sommertag“ (Abb. 10). Aus schwimmen-
den Farbandeutungen ritzt die zarte, brüchige Zeichnung
die Begegnung einer Jacht und eines Dampfers heraus.
Schwüle erfüllt den hohen Raum des Himmels, im
Flimmern der Luft werden die Formen schlaff, scheinen
die Umrisse der Schiffe in sich zusammenzusinken.
Mit der Lockerung von Linie und Farbe ist der Grund
zu Feiningers spätem Stil gelegt. Insbesondere in seiner
letzten, amerikanischen Schaffensperiode hat er ihre
Möglichkeiten ausgeschöpft. Daneben kehrt er jedoch in
den dreißiger Jahren zur geschlossenen Silhouette zurück,
der er noch einmal neue Wirkungen abgewinnt.
Das Aquarell „Sardinen-Fischer“ (Abb. 11) spielt
wieder mit den geliebten Umrissen der Fischkutter. Von
blauen Schatten hinterfangen schweben die braunen und
grauen Segel vor lichtgrünem Wasser. Das Lineal, an dem
die spitze Feder entlangstreift, scheint zu tanzen. Die
geistreiche Pointiertheit der Silhouette greift auf Erfah-
rungen der frühen Zeit (Abb. 1) zurück. Doch alles
Groteske und Hintergründige ist nun abgestreift, um
einer musikalischen, heiteren Leichtigkeit Platz zu
machen.

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