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Der skandinavische Bruderstamm.

Es sitzt in der Nordmark der Präsident,
Der spricht: „Es ist ausser Frage,
Sehr seltsam ist doch die Lage des Reichs
Und namentlich Preussens Lage.
Im Westen hat man sehr lange schon
Revanche für Sedan geschrieen.
Im Westen bestehen, das weiss jedes Kind,
Für uns nur Antipathieen.
Im Osten fährt man jahraus, jahrein
Auf panslavistischen Bahnen,
Und wie es gewesen, so wird es auch sein:
Der Slave hasst den Germanen.
Im Süden sitzen zunächst unserem Staat
Die unversöhnlichen Tschechen,
Die brüllen nur „Zde“ und sind überhaupt
Auf Deutschland nicht gut zu sprechen.
Im Norden indess sieht es anders aus:
In Schweden sowie in Norwegen
Behaupten die Leute, germanisches Blut
In ihren Adern zu hegen.

Das zeigte sich namentlich evident
Bei jenen Fahrten nach Norden,
Wenn Jubel umbraust das Kaiserschifl
In skandinavischen Fjorden.
Da hiess es beständig: Ihr Völker, seht
Die Bande, die uns vereinen,
Der Kaiser fühlt sich im Norden wohl,
Fast wie im Kreise der Seinen.
Gefeiert wurde das Brudervolk
Deshalb in Prosa und Liedern,
Ganz Deutschland dankt demgastlichen Volk,
Den nordischen Stammesbrüdern;“
*
„Was folgt nun hieraus ? so frage ich mich
Im Sinne des Diplomaten;
Ich folgre: Die Lage ist ringsumher
Höchst unsymmetrisch gerathen.
Im Westen und Osten und Süden Hass,
Doch Freundschaft bei nordischen Ländern,
Das passt nicht zusammen, das müssen wir
Mit weisem Verständniss ändern.

Drum werde ich selbst von der Nordmark aus
Den Anlass zum Hader bereiten,
Dann sind wir im schönsten Gleichgewicht
Ringsum auf allen vier Seiten.
Frischauf! dem Dänen versetze ich eins,
So hab’ ich die passendste Fehde,
Denn was dem Dänen passirt, das spürt
Sofort der Norweger und Schwede.
Die Mittel, um künstliche Disharmonie
Im Norden zu schaffen, die find’ ich,
Die letzten Reste von Volks Sympathie
Mit glücklicher Hand überwind’ ich!
* - s
Ein wundervolles Programm fürwahr!
Nur muss man die Folgen riskiren;
Wir machen Fortschritte in der Kunst,
Der Völker Gunst zu verlieren.
DasTempo,indem sich derFortschritt vollzieht,
Ist langsamer bald und bald schneller,
Und was in den Tropen der Koller bewirkt
Bewirkt weiter nördlich der Koller.“ m.

Vorbereitung zum Bankett.
Kultusminister D r. Bosse (in seine
Notizen blickend). Richtig, das hätte ich
beinahe vergessen! Es ist doch gut, wenn
man bisweilen seine Notizen überfliegt. Also
am 24. Februar dieses Jahres wird Friedrich
Spielhagen siebzig Jahre alt, das giebt
jedenfalls wieder ein grosses Fest im Kaiser-
hof oder sonstwo. Ich kenne das von Karl
Frenzeis siebzigstem Geburtstag her. Na,
da werden mich ja die Veranstalter wieder
einladen, und ich werde auch hin-
gehen, dafür bin ich ja der höchste
Vertreter aller geistigen Angelegen-
heiten im Staate. Gewiss erwartet man
auch einen Toast von mir. Was soll
ich nur gleich sagen? . . . Vielleicht
folgendes: Verehrter Jubilar! theurer
Meister Spielhagen! Sie sind stets
ein Verkünder des freien Wortes ge-
wesen, ausihrensämmtlichenWerken
weht uns die von mir mit Vorliebe
citirte freie Höhenluft entgegen!...
Das wäre ein sehr guter Anfang . . .
Zum Donnerwetter, muss ich da
gerade jetzt gestört werden, wo ich
mir einen so packenden Trinkspruch
ausarbeite! Was wollen Sie?
Vortragender Rath: Excel-
lenz, ich wollte berichten, dass ein
Professor der hiesigen Universität. . .
Der Minister: Schon wieder
so ein Nichtsnutz von Professor!
was hat er verbrochen?
Vortragender Rath: Er hat
gesagt . . .
Der Minister: Gesagt hat er
was? so ’ne Frechheit!
Vortragender Rath: Nicht auf
dem Katheder; aber in Privatgesell-
schaft hat er Aeusserungen fallen
lassen, liberale Aeusserungen ent-
setzlicher Art. Er soll sogar gesagt
haben, dass er Delbrück für einen
ehrenwerthen Mann halte.

Der Minister: Das ist stark! Ich will
vorläufig annehmen, dass er das Delict in
angetrunkenem Zustand begangen hat,
und es bei einer Verwarnung bewenden
lassen.
Vortragender Rath: Die Prämisse
trifft leider nicht zu, Excellenz; besagter
Professor war ganz nüchtern.
Der Minister : Dann soll er gewimmelt
werden! Hinweg mit ihm von der Hoch-
‘ schule! Disciplinarer Rausschmiss! Schreiben
Sie ihm das!
Vortragender Rath: Zu Befehl, Ex-
cellenz. (Ab.)

Der Minister (allein): Wo war ich nur
vorhin stehen geblieben? Richtig: bei der
freien Höhenluft, die ich so gern athme:
Bei diesen Worten werde ich zweifellos von
stürmischen Bravos unterbrochen werden.
Verehrter Herr Spielhagen, werde ich fort-
fahren, es gereicht mir zur ganz besonderen
Genugthuung, Ihnen zum heutigen Ehren-
tage den Professortitel überreichen zu dürfen;
und zum Schlüsse lasse ich dann den frei-
müthigen Dichter, den unerschrockenen
Professor honoris causa hoch leben . . .
beim heiligen Disciplinarius, das wird einen
Bombeneffekt machen! m.


No 4

LUSTIGE BLÄTTER.

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