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Lustige Blätter: schönstes buntes Witzblatt Deutschlands — 18.1903

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No. 6
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https://doi.org/10.11588/diglit.37092#0095
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MachtasyL
(Deutsche Zerarbeitung noch Gor hi. „Gnnz Meines Chenfer.")
Ort der nicht zu findenden Handiung: eine eben-
faüs nicht zu findende Kaschemme in Beriin N. Zeit:
spät am Abend. Winter 1920.
Der „Pr ä s i d e n t" und der „H a 1 b i n d i a n e r"
sitzen beim Kartenspiel.
De/- Prd$/'dg/zA' Mir ist der Stich, mir.
De/* AAdA/'/zdr'u/zgr.' ich hab' die Dame
geworfen. Ich werd doch noch eine Dame
kennen, was!
Dg/*Prd.s/'dg/zA Ja, aber sie kennen Dich
nicht mehr. Die Zeit ist vorbei, wo Du in
Caracas sogar den Speziaiberichterstatter
vom ,,Berliner Lokai-Anzeiger" hast stehen
iassen dürfen, um mit Deiner Maitresse zu
waizen.
De/* AAdAz/zd/'n/zgr.' Hait's Maui! Das war
der Anfang vom Ende. Alie sechs Gross-
mächte hab' ich geuzt und angepumpt. Aber
wie ich der siebenten vor'n Leib treten
wollte . . . Pique is gespieit. Schwarz!
Kennst Du die „Schwarzen" nicht mehr?
Die haben doch immer zu Dir gehalten —
früher! ... Na also, wie ich den Kerl von
der siebenten stehen Hess, da war's alle.
Die hat mir's besorgt! Erst haben sie mir
mein schönes Fort in die Luft geschossen.
Dann Revolution im Land und ali so was
Schönes. Mein blankes Geld — futschikato.
Na, mein Trost ist, ich hab's selbst ge-
stellten. — Coeur is gespielt!
Dg/- Pras/dg/tA Du hast noch Coeur?
Dann hast Du vorhin nicht bekannt.
DgrAAz/A/'/zdr'a/zgr.' Auch noch „bekennen".
Wann hätt' ich mich zu was bekannt?
Dg/* Prds/'dg/zA' Du hast gemogelt.
Dgr Afn/Ar'/zd/'n/zgr.' Na, ich werd' wegen
Dir mit meinen iiebsten und ältesten Ge-
wohnheiten brechen! Ne ne, ich bin auch
„konservativ", verstehste. Wenn ich mir
Wurscht kauf' abends, darf sie nur in die
„Kreuzzeitung" eingewickelt sein.
Dg/-P/-/!S/dg/?f.' Sprich mir nicht von der!
Die ist Schuld an meinem Rücktritt — da-
mals 1903. (Er schluchzt.) Ach, ich hätt' mich
ja vielieicht noch bessern können. Es ist
ja leichter, die Tterle reden zu lassen, was
sie woücn, a!s sie zu unterbrechen. Aber
siehst de, die eigenen Leute hab'n mir in
die Kniekehlen gehauen, und nu — das is
das Ende, dass ich mit so'n Lump, wie Du —
Dg/* Afn/Az'/zdr'n/tgr.' Ich bitt' mir's aus, ich
war auch 'mal Excellenz. Wie ich noch im
Grossen gestohlen hab'.
Dg/* Präg/dg/zA* Du, Castro --
Dgr AfntA/'/zd/'n/tgr.' Nicht beim Namen
sollst Du mich nennen! Wie oft hab' ich

Dir's schon gesagt. Ich verbitte mir sotche
Vertraulichkeiten von einem rausgeschmisse-
nen Reichstagspräsidenten.
Dg/- Präsr'dg/zA Na alsdann: Du, Halb-
indianer, wer ist denn der unheimliche Kerl
dahinten mit dem schwarzen Riesenbart?
Dgr A/alA/'/zd/'a/zgr.' Der? Ach, der Mensch
auch wieder da! Er redet immer wie'n Buch.
Manchmal spricht er gar Verse. Sie nennen
ihn hier blos den Dichter. Aber er wird
grob, wenn man so zu ihm sagt. Pass mal
uff. Pst! Heda, Du — Dichter!
Dg/* D/cAfgr (wiithend ihm an die Kehie): Ich
bin kein Dichter, ich bin ein ,,Schaffender".
Du Hund! Du gemeiner Kerl! (Sie priigein sich.)
Dg/* Präs/dg/zA So recht, Kinder, prügelt
Euch, schimpft Euch — Himmel ja, wenn
ich jetzt noch 'ne Giocke hätte, ich wäre in
meine beste Zeit zurückversetzt!
Dg/* AAatA/'//d/'a/Zgr (spuckt ein paar Backen-
zähne): Unten gelegen hab' ich, aber gesiegt
hab' ich doch!
Dg/* Präs/dg/zA Aber mir scheint, Dein
Schädel hat ein Loch.
Dg/* APz/Az'/zdt'n/zgr.' Ein Loch macht mei-
nem Schädel nichts. Ich hab' einen harten
Dg/* D/YAfgr (ausser sich, wiii dem Haibindianer
wieder an die Kehie): Der Hund hat Harden
gesagt ... er hat Harden gesagt! ... er
uzt mich ... er höhnt mich . . . Staats-
anwalt — Sta—atsanwalt!
Dg/* AA/Y/'Agr (meianchoiisch düstre Erscheinung.
Elegisch biasses Lächein. Ganz in Schwarz. Auch
die Finger. Nur die Nase roth. Er geht an der Gruppe
vorbei und spuckt dem Dichter bedächtig auf den
iinken Stiefel).
Dg/- D/YAfgr.- Was soll das heissen, Du
Ferkel?
Dg/* AA/Y/Ag/*.' Das ist meine Ansicht über
das Geistesleben in Deutschland.
Dgr D/YAfgr.- Du hast meine Bücher nicht
gelesen . . . meine Bücher!
Dg/- AA/Y/'Agr.' Ich ha—ha—habe A—a -
alles gele—le—Tesen.
Dg/* D/YAfgr.* Und Dein Urtheil, he?
Dein Urtheil?
Dg/* AA/Y/'Agr (spuckt ihm bedächtig auch auf
den rechten Stiefel).
Dg/* D/YAfgr (wischt es verächtiich ab): Ich
sehe, Du bist kein „Schaffender".
Dg/- AA/Yz'Agr.- Nein Ich bi—bi —bin nur
ein Spuckender.
Dg/* Pra's/'dg/zA' Du stotterst ja so furcht-
bar, Aermster. Warst Du vielieicht mal
Fraktionsredner?
Dgr AA/Y/'Agr.' Nein, ich habmi—mi —mir
das Sto-tottem aus Lie—liebhaberei alt-
gewohnt. Das wa—war mai mal Mo—mo—
ntode. We—weranibe—esten sto—stottern
konnte, der war der fa—fa—famoseste Keri.

Dg/* DatA/'/zd/'a/zgr (zieht ein riesiges Messer
und geht ihm zu Leib): Er hat Scherl gesagt!
Er hat Scherl gesagt!
Dg/- PrdS/'dg/tf (hält ihn zurück): Nu wenn
schon! (Zum Dichter): Wülste nen Schnaps,
Bruderherz?
Dg/* D/YAfgr (macht eine abwehrende Bewegung):
Einst trank ich den Tnau vom Helikon, einst
sass ich mit den Göttern zu Tisch — Es war
einmal. Nun ist Sodoms Ende meine Heimath!
Dg/* Prä^/'dg/zt (reicht sein Schnapsglas dem
Kritiker): Bruderherz, es lebe das Leben!
Dg/* AA/Y/Ag/- (windet sich in heftigem Leib-
schneiden): Du, Prä—Präsident, Dein Schnaps
ist sch—sch—schlecht, aber Dein Tri—tri—
trinkspruch macht mir noch tibier! Schlechte
Sch—Sch—Schlücke sind bös. Schlechte
Sch—Sch—Stücke sind noch bö — bö—böser.
Dg/* Afa/A/'/zd/'a/zgr.- Du siehst leidend aus,
Bruderherz.
Dgr AA/Yz'Agr.' Ich bi—bi —bin vergi—gi—
giftet. Seit das Sto—sto—stottern nicht
mehr Mo —mode ist, muss ich mein Gi —
gi—gift ali in mi—mi—mich selber fressen.
Dg/- AAdA/'/td/'a/zgr.- Ich glaube, er stirbt
uns hier.
Dg/- AA/Y/Ag/- (immer blässer): Wenn ich
Z—z—zeit hätte und kein Lei —lei-leibweh,
wär ich ein grosser Di—di—dichter.
Dg/* D/YAAr.' Ich werde Dir die Grab-
schrift schreiben.
Dg/- AA/Yz'Agr (erhoit sich rasch): Da—da—
dann bleib' ich He—lie—lieber am Leben.
Dg/* Prdg/'dg/zA Kinder, und jetzt — es
wird spät. Wir wollen was spielen.
Dg/- D/YAfgr/ Jawohl, „Dichter und Bauer"
wollen wir spielen. Ich bin der Dichter
und der (zeigt auf den Kritiker) ist der Bauer.
Dg/* AAdA/'/zd/'n/zgr.' Nein, nein. Ich weiss
was. Wir wollen ein südamerikanisches
Nationalspiel spielen: „Mogeiches auf Ehren-
wort".
Dg/* Pra^/dg/zf/ Nein, ich weiss was. Wir
spielen ein bischen „Reichstag".
D/'g A/zdgr/z.' Wie ist das?
Dg/- Präst'dg/zA Also, ich bin der Präsi-
dent. Ich sage: Die Sitzung ist eröffnet.
Und dann schlafen wir alie.
Dg/* AA/ZA/'/td/'a/tg/-.' Schlafen wir? Wa-
rum denn?
Dg/* Pr/Mz'dg/zA Weil ihr Abgeordnete
vorstellt.
Dg/* D/YAAr /z/zd dg/- AAz/A/'/zd/'n/zgr.' Gut,
gut, wir schlafen.
Dg/- Prä^/'dg/Zf (zum Kritiker): Und was
meinst Du zum Reichstag? Willst Du zur
Linken oder zur Rechten gehören?
Dgr AA/Y/'Agr (spuckt ihm bedächtig erst auf
den iinken dann auf den rechten Stiefet).
Der Vorhang fäiit. M. Sy.

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No. 6.
 
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