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DER WALD bei SCHILDA



Bei Schilda wuchs ein fahöner Wald,
Viel Buchenbäume, wie alt, wie alt,
Viel edle Fichten, Schlank und ftolz,
Und luftig grünes Unter-
holz.
Und zwilchen den
Stämmen, dick und groß,
Viel winzig kleine Blumen
im Moos,
Die läuteten duftend im
Sonnenfehein
Ganz le'de fahwingend den
Frühling ein.
Die Älf’ften von Schilda faßen im Rate
Und Tprachen: es Fei eine hohe Gnade
Des Himmels, daß juft in Schildas Nähe
Ein Wald von fchattigen
Bäumen ttehe.
Das fai ein Wink, die Natur
zu fchützen
Und Tie noch kräftiger
auszunüfzen;
Auf daß an der herrlichen
Gottesgabe
Auch jeder fainen Anteil
habe.
Da fahweiften dann die erften Gedanken
Duft falchen könnte das Waldesweben
Verlorene Kräfte wieder-
geben


Noch zarten Bronchien
und weite die Lungen,
Und faub’re den Rachen
und löfa den Schleim.—
So plante denn Schilda
ein Säuglingsheim
lm herrlichen Walde. Und
darum
Schlug manzunächft
ein paar Bäume um.
Und wieder faßen im
Hohen Rate
Die Älf’tten und rühmten
die hohe Gnade,
Die durch des Waldes
Weben und Wehen
Duft an der wachfenden
Dugend gefahehen.
Der Wald fei in Wahrheit
das einz’ge Gehege
Für rationelle Körperpflege.
Die Hitze der Häufer, die Enge der Straßen,


„Der Schulze ift ein ver-
ffändiger Mann“,
Lobten die andern und
FchloTren rieh an.
Da nahmen Tie her einen
Waldplan fahnelle
Und jeder fichert fich
eine Parzelle,
Und jeder hat fein Bündel
gefahnallt
Und zog in den nahen Schildaer Wald,
An Kranken- und Säuglings- und Dünglings-
Quartieren
Vorbei, zu bau’n und zu
Tpekulieren;
Denn: war wer erft tot
und durch GrabTpruch
geehrt,
Dann war das Grundftück
das Doppelte wert,
Das Grundftück im herr-
lichenWalde.Und d’rum
Schlug jeder zunächft
ein paar Bäume um.
Düngft kommt ein Fremder gefahren und will da
Sich auch mal ergehen im Walde von Schilda.
Er findet Spitäler, Cafes und Kafarnen,
Und HäuTer, um d’rin A-B-C zu lernen;
Garküchen und Kirchen und ftille Rotunden,





Die fahade den Buben über die Maßen;
Hingegen der Duft von Fichte und Moos
Erfatze Baden, Tarafp
und Davos,
Und Nizza im Herbft, im
Lenze St. Blähen;
Man müfte d’rum bauen:
Wald-Gymnafien.
So ward es im Rate be-
rchloften. Und d’rum
Schlug man zunächft
ein paar Bäume um.

„Tagweife“-Logis für Schäferftunden,
Zinshäufer, Baracken und Meiereien
Und dreckige Buden, die Masken verleihen,
Hotels und Hallen und Eremitagen
Und WarenhäuTer mit Heben Etagen;
Bloß Bäume, To Kiefern und Tannen und Buchen,
Die tat der Fremde ver-
gebens fachen.
Denn um den „Wald“ fo
recht zu genießen,
Haben die guten Schild-
bürger diefan
Benannten Wald in glück-
lichen Tagen
So Baum und Bäum-
chen umgefchlagen.

Und Tagt wer, ich lüge, To lach’ ich vergnügt:
Mit nichten! Doch ob grad’bei Schilda liegt
Der herrliche Wald, von dem Sie hören,
Mein Lieber, das möcht’ ich nicht befahwören.
Vielleicht kommt man auch von Berlin
ln vierzehn Minuten per Stadtbahn hin.
M. 9p.
 
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