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Lehrs, Max [Editor]
Geschichte und kritischer Katalog des deutschen, niederländischen und französischen Kupferstichs im XV. Jahrhundert (7, Textbd.): [Die niederländischen Monogrammisten und der Meister P* von Köln] — Wien, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.34054#0020
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6

DER MEISTER ^

Brügge zu lokalisieren, wo ja auch in den achtziger Jahren der Aleister
der Boccaccio-Bilder seine Illustrationen für Colard Mansion stach.*
Boerner möchte die Kupferstich-Folge stilistisch direkt mit dem
Girart-Meister in Verbindung bringen, mit dessen Illustrationen sie
in allem Sachlichen, wie den Zelten, Rüstungen, Typen und Bewe-
gungen viel Verwandtschaft zeigt. Dies ist gewiß richtig, doch darf
man dabei nicht außer acht lassen, daß der Girart-Aleister künstlerisch
dem Aleister sehr erheblich überlegen ist.
Ein anderer Stich, der in Typus und Zeichnung dem Hauptblatt des
Künstlers, dem Stammbaum Alarias Nr. 24, zeitlich viel näher steht
als den Kriegs- und Lagerszenen, ist der heilige Quirin Nr. 20, der,
obwohl unbezeichnet, durch das vierzeilige hämische Gebet im Unter-
rande für die Lokalisierung des Stechers wichtig ist. Was Boerner
über seine mutmaßliche Entstehung sagt, scheint mir besonders be-
achtenswert. Das Blättchen erweist sich eben durch seine Unterschrift
als ein für den Verkauf in breitester Öffentlichkeit bestimmtes Heiligen-
bild, wip es von andächtigen Wallfahrern an geweihter Stätte auf den
Heiltumsmärkten und an den Kirchentüren zur Erinnerung als Einlage
in die Breviere gern gekauft wurde.
Daß der römische Tribun Quirin der Schutzpatron von Neuß ist
und dort besonders verehrt wird, war bekannt, daß der Quirin-Kult
aber mit der Belagerung der Stadt durch Karl den Kühnen im Jahre 1475
in einen gewissen kunsthistorischen Zusammenhang zu bringen sei, ist
vordem nicht beachtet worden. Boerner hat mit großem Fleiß die meist
erst den letzten Jahren angehörige Literatur über die damit zusammen-
hängenden historischen Geschehnisse geprüft und ist dabei zu dem
Ergebnis gelangt, daß der Burgunderherzog bei diesem Feldzug einen
großen Hofstaat mitführte, unter dem sich auch viele Künstler befanden.
Wir wissen ferner, daß anläßlich der Belagerung von Neuß zahlreiche
Quirins-Blätter dort gestochen und verkauft wurden, wozu die Be-
drängnis der Stadt reichlich Anlaß bot. Da wir aus dem großen Wappen
Karls des Kühnen und den Szenen aus seinem Lager ersehen, daß der
Aleister "Whöchstwahrscheinlich zu der umfangreichen Schar im
Solde des Herzogs stehender Künstler zählte, liegt die Annahme nahe,
1 Vergl. Bd. IV. p. 165 u. ff.
 
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