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Rudolph Lepke's Kunst-Auctions-Haus <Berlin> [Hrsg.]
Katalog / Rudolph Lepke's Kunst-Auctions-Haus, Berlin: Oelgemälde, Pastelle und Aquarelle erster Meister unserer Zeit: teilweise aus dem Nachlasse der verwittweten Frau Herzogin von Hamilton und Benjamin Vautier's ; 1. Abtheilung, Dienstag, den 30. October 1900 — Berlin, Nr. 1240.1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.15241#0051
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Vorwort.

jYtoritz Ritter von Sehwind, der mit seinem 67. Lebensjahre als Akademie-
Professor in München seine reiche Künstlerlaufbahn beschloss, ist einer der ersten Künstler
aller Zeiten. Seine Hauptstärke bethätigte er im Zeichnen und Aquarelliren poesiereicher
Stoffe; als Illustrator steht er noch über dem deutschen Ludwig Richter; auch Schwind
war, wie jener „ein echt deutscher Künstler" in des Wortes herrlichster Bedeutung. Kein
Geringerer als Goethe sagte schon von seinen ersten Arbeiten: „er ist überraschend
abwechselnd, gedrängt ohne Verwirrung, räthselhaft aber klar, barock mit
Sinn, phantastisch ohne Karikaturen, wunderlich mit Geschmack und durch-
aus originell".

Der grosse Satiriker unter den Malern, Wilhelm von Kaulbach, sagte über Schwind
nach dessen erfolgtem Ableben:

„Wer that es ihm gleich in der Darstellung innigsten, sinnigsten, deutschen
Lebens? Wer beherrscht, wie er den deutschen Waldeszauber? Wer war jemals, wie er,
eingedrungen in die tiefsten Geheimnisse unserer deutschen Sagen? Seine Kunst hatte
keine Gegner, keine hämischen Tadler, ja sie hatte nicht einmal Nebenbuhler, denn er
stand völlig allein und gross da."

Richard Wagner nennt Schwind den Karl Maria von AVeber der Malerei, indem

er sagt:

„Nie hat ein deutscherer Künstler gelebt, als Du! Wohin Dich auch Dein Genius
trug, in welches ferne, bodenlose Reich der Phantasie, immer doch bliebest Du mit jenen
tausend zarten Fasern an dieses deutsche Volksherz gekettet, mit dem Du weintest und
lachtest, wie ein gläubiges Kind, wenn es den Sagen und Märchen der Heimath lauscht.
Ja, diese Kindlichkeit war es, die Deinen männlichen Geist wie sein guter Engel geleitete,
ihn stets rein und keusch bewahrte: und in dieser Keuschheit lag Deine Eigentümlichkeit:
wie Du diese herrliche Tugend stets ungetrübt erhieltest, brauchtest Du nichts zu er-
denken, nichts zu erfinden — Du brauchtest nur zu empfinden, so hattest Du auch das
Ursprünglischste erfunden. Du bewahrtest sie bis an den Tod, diese höchste Tugend, Du
konntest sie nie opfern, dieses schönen Erbmals Deiner deutschen Abkunft Dich nie ent-
äussern. Du konntest uns nie verrathen! — Sieh, nun lässt der Brite Dir Gerechtigkeit
widerfahren, es bewundert Dich der Franzose, aber lieben kann Dich nur der Deutsche,
Du bist sein, ein schöner Tag aus seinem Leben, ein warmer Tropfen seines Blutes, ein
Stück von seinem Herzen."

Moritz von Schwind ist auch noch zu Mozart und Beethoven in persönliche Be-
ziehungen getreten. Er war innig befreundet mit Schubert, Lachner und dem Wiener Lust-
spieldichter Bauernfeld. Auch Victor von Scheffel gedenkt des Künstlers mit den Worten:

..Ich war an dem Stammtisch Schwinds im Englischen Cafe, wo er mit dem Alt-
münchner Originalgenie Spitzweg. dem Landschaftsmaler Schleich, dem kunstverständigen
Baron Rumohr u. a. sich nachmittags zusammenfand, ebenso willkommen, wie im Hause
des phantasiereichen, humorvollen Malers. — Bin neulich beim Meister Schwind gesessen in
seiner holzvertäfelten Klause, wo er des Abends zeichnet, derweil gute Freunde um ihn
herum plaudern."

Diese echt Scheffeischen Worte gewähren uns einen interessanten Einblick in das
gemüthliche Privatleben des Künstlers, der über der ernsten Arbeit des Tages die heiteren
Freuden des Lebens nicht vergass. Schwinds Kunst ist nur aus seiner fröhlichen Lebens-
 
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