Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Rudolph Lepke's Kunst-Auctions-Haus <Berlin> [Hrsg.]
Katalog / Rudolph Lepke's Kunst-Auctions-Haus, Berlin: Nachlass Johann Friedrich Lahmann, Weisser Hirsch, Dresden: Gemälde und Handzeichnungen alter und neuer Meister, Möbel, Teppiche, europäisches und ostasiatisches Kunstgewerbe ; 27. bis 29. April 1938 — Berlin, Nr. 2122.1938

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6301#0006
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
VORWORT

JOHANN FRIEDRICH LAHMANN, der Bruder des hervorragenden Arztes und
Begründers des Sanatoriums Weißer Hirsch bei Dresden, war seit Jahrzehnten in den
Kreisen, die sich für Kunst interessierten, als Sammler so bekannt wie sein Bruder
allenthalben als Mediziner. Die Fülle der Bilder und Zeichnungen, die er in seinem
Heim am Lahmann-Ring zusammengebracht hatte, schien beinahe unübersehbar. Seinem
Namen begegnete man auf den zahlreichen Kunstausstellungen, die er bereitwillig mit
Leihgaben unterstützte: war er doch überzeugt, daß seine Tätigkeit keine reine Privat-
beschäftigung sei, daß die Schätze, die er in unermüdlichem Suchen vereint hatte, An-
spruch darauf hatten, dem allgemeinen geistigen Vorrat der Nation nutzbar zu werden.
So wanderte schon bei seinen Lebzeiten ein kleiner, wenn auch wichtiger Teil, die
Zeichnungen Dürers, in das Städelsche Institut zu Frankfurt am Main, aber die ungeheure
Menge der Sammlung stand nach seinem Tode dem Kunstinstitut seiner Vaterstadt, der
Bremer Kunsthalle, und der Dresdner Galerie zur Auswahl offen, die beide die Gemälde
und Zeichnungen, die ihnen für ihre Sammlungen wichtig schienen, heraussuchen durften.
Den weiteren Kunstbesitz verzeichnet dieser Katalog. Lahmann war ein echter Sammler
und ein Sammler alten Stils, aber auch unter ihnen wieder eine Persönlichkeit von
besonderem Zuschnitt. Der Umkreis seiner Interessen reichte sehr weit. Besonders in
den Zeichnungen erkannte er keinerlei Grenzen an. Bei den Gemälden bevorzugte er die
letzten beiden Jahrhunderte und unter ihnen wieder die sächsischen Lande, die ja in
dieser Zeit durch die Höhe ihrer Kultur und durch eine Fülle künstlerischer Persönlich-
keiten besonders ausgezeichnet waren und mehrmals die Führung besaßen. Wir erinnern
nur an die ununterbrochene Reihe, die von Graff bis über Ludwig Richter hinausreicht.
Aber auch neben den allen geläufigen Namen wie Friedrich, Dahl, Carus gibt es eine
große Zahl von Künstlern, die in diesem Kreis tätig waren, und die auch heute kaum dem
Namen nach bekannt sind. Sicher ist hier noch mancher kunsthistorisch und künstlerisch
wichtiger Fund zu tun, denn Lahmann ging es nur um das Kunstwerk, das er erwarb.
Er legte, wie Waldmann in einer feinen Charakteristik über ihn erzählt („Das Kunst-
vermächtnis Joh. Friedr. Lahmann" in der Kunstrundschau, Februar 1938), nur auf Schön-
heit Wert. Stilistische und historische Analysen standen ihm ziemlich fern. Er mühte
sich auch nicht, den Namen der Vorbesitzer festzuhalten oder aufzuzeichnen, daher so
viele Werke aus seinem Nachlaß heute anonym Jsind, vielleicht erst durch seine Nicht-
achtung der Namen anonym geworden sind. Hier spricht also Namenlosigkeit durchaus
nicht für geringen künstlerischen Wert. Es ist sicher zu erwarten, daß manche dieser
Werke, wenn sie in die Hände des Liebhabers oder Forschers gelangen, ihre Meister-
namen wiederfinden werden, die in dieser künstlerisch so anregenden und fruchtbaren
Zeit unmöglich auf die geringe Zahl beschränkt waren, die wir immer wieder nennen.
Ganz besonderes Interesse widmete Lahmann einem von diesen wenig Bekannten, halb
Vergessenen: Christian Friedrich Gille, der erst 1899 im hohen Alter von 95 Jahren in
einem Dorf bei Kötzschenbroda verstorben war. Der künstlerische Lebenslauf dieses Mannes
verdiente allerdings seine Aufmerksamkeit in vollem Maße. Er war ein Schüler von Dahl
gewesen und seine Jugendarbeiten hatten noch die Aufmerksamkeit Goethes erregt. Nach
dieser Frühzeit als Maler wandte er sich lange Jahre hindurch, um sein Leben zu fristen,
graphischen Arbeiten zu, kehrte dann aber wieder zur Malerei zurück und ergriff in einer
völlig neuen kräftigen und frischen Unmittelbarkeit neue Motive, insbesondere Natur-
ausschnitte aus Garten und Wald, Sumpf und Wiese. Die starke Meisterlichkeit dieser
Schöpfungen erkannte Lahmann und suchte aus dem zerstreuten Nachlaß des Mannes,
der in gänzlicher Vergessen- und Verlassenheit gestorben war, alles zusammenzubringen,
was er erhaschen konnte, um das vielseitige und vielumfassende Schaffen des Malers als
ein Ganzes zu erfassen. Ohne Zweifel werden diese Bilder und Studien eine große Über-
raschung sein.

Lahmann hat auch eine schöne Auswahl ostasiatischer Kunstwerke gesammelt, chinesische
Porzellane und japanische Metallarbeiten, ferner heben wir hervor eine Reihe reizender
Netsukes in Holz und Elfenbein und eine Sammlung von Stichblättern, unter denen sich
eine Anzahl hervorragender Stücke befindet. Die Bronzen von E. M. Geyer und Max
Klinger sowie einige antike Marmorskulpturen dienten zum Schmuck der mit Kunstwerken
überfüllten Räume. UNUS
 
Annotationen