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Lessing, Gotthold Ephraim
Hamburgische Dramaturgie (Band 1) — [Bern], 1786

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https://doi.org/10.11588/diglit.49895#0316
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"Wa6 mir, fährt er fort, sonst an diesen Lustspiele miß-
fällt, ist der Karakter des Agenors. Den Triumph der gu-
ten Frauen vollkommen zu machen, zeigt dieser Agenor
den Ehemann von einer gar zu häßlichen Seite. Er tyran-
nisirt seine unschuldige Juliane auf das unwürdigste, und
hat recht seine Lust sie zu quälen. Grämlich, so oft er sich
sehen laßt, spöttisch bey den Thranen seiner getränkten
Frau, argwöhnisch bey ihrur Liebkosungen, boshaft genug,
ihre unschuldigsten Reden und Handlungen du'-ch eine fal-
sche Wendung zu ihrem Nachtheile auszulegen , eifersüch-
tig , hart, unempfindlich, und, wie sie sich lercht eindilden
können, in seiner Frauen Kammermädchen verliebt. — Ein
solcher Mann ist gar zu verderbt, als daß wir ihm eine schleu-
nige Besserung zutrauen könnten. Der Dichter giel-t ihm
eme Nebenrolle, in welcher sich die Falten seines nichtswür-
digen Herzens nicht genug entwickeln können. Er tobt,
und weder Juliane noch die Leser wissen recht, was er will.
Eben so wenig hat der Dichter Raum gehabt, ferne Besse-
rung gehörig vorzubereiren und zu veranstalten. Er mußte
sich begnügen; dieses gleichsam im Vorbeygehcn zu thun,
weil die Haupthandlung mit Nikander und Philinren zu
schaffen hatte. Kathrine, dieses edelmüthige Kammermäd-
chen der Juliane, das Agenor verfolgt hatte, sag: gar recht
am Ende des Lustspiels: Dre geschwindesten Bekehrungen
sind nicht allemal die aufrichtigsten k Wenigstens so lange
dieses Mädchen im Hause ist, möchte ich mehl für die Auf-
richtigkeit stehen. „
Ich freue mich, daß die beste deutsche Komödie dem.
richtigsten deutschen Deurtheiler in die Hände gefallen ist.
Und doch war es vielleicht die erste Komödie, die dieser
Mann beurtheilte.
 
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