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Lilienfein, Heinrich
Lukas Cranach und seine Zeit — Bielefeld [u.a.], 1942

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https://doi.org/10.11588/diglit.31129#0022
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Sprengel ja Kronach gehörte. Auch im Mainfränkischen mag er sich umgeschaut haben.
Noch mehr zog ihn sicherlich die vielgepriesene Reichsstadt an der Pegnitz an. Nümberg
und Albrecht Dürer mußten nicht erst seit kurzem in seinen Gedanken und Wiinschen
ineinanderfließen. Der fast gleichaltrige Meister Albrecht, der bereits folgenreiche Wander-
zeiten hinter sich hatte, konnte ihm aus den berühmten, erregenden Holzschnitten der
„Geheimen Offenbarung des Evangelisten Johannes" kein Fremder geblieben sein. Daß
der zugereiste Lukas Cranach in Nürnberg, dem kunst- und bildungsfrohen Dasein der
ehrwürdigen Stadt wach aufgeschlossen, in nähere menschliche und künstlerische Be-
rührung zu Dürer trat — wer möchte es bezweifeln ? Kaum einer von den heranreifenden
Künstlern der Zeit vermochte sich dem Bann des großen Nürnbergers zu entziehen, in dem
der faustische deutsche Drang zu ungemessenem Forschen sich dem zu bildnerischem
Gestalten so dämonisch einte. Sein Einfluß auch auf den Kronacher ist weiterhin in so
manchem von dessen Werken erweislich und eine vor nicht allzulanger Zeit zum Vorschein ge-
Abbildung i kommene SilberstiftzeichnungDürers, die vermutlichCranach, freilich erst in späteren Jahren,
darstellt, läßt auf nicht bloß flüchtige und oberflächliche Berührung schließen . . . Wie in
Nürnberg,mag man sich unseren wandemden Lukas auch gerne in München denken: dort und
anderwärts rief ihn aus den Altären des Spätgotikers Jan Polack breit erzähltes, bewegtes
Leben an . . .

Schon jetzt freilich erhebt sich die Frage: war der werdende Cranach überhaupt der
Mann, sich widerstandslos in noch so lockenden fremden Bann zu geben?

Bringt man auch die Empfänglichkeit und Biegsamkeit jüngerer Jahre in Anschlag und
rechnet mit der Beweglichkeit der fränkischen Stammesart — die weitere Entwicklung
seines Künstler- und Menschentums berechtigt zu dem Schluß, daß er von vornherein,
wenn auch erst unbewußt und tastend, dem wesensgemäßen eigenen Weg nachging, um
bald vollbewußt von sich auszuscheiden, was nicht zu ihm paßte, oder doch das Angeeignete
in seiner Weise zu verarbeiten.

Sind die Versuche, den wandernden Maler in eine schulmäßige Abhängigkeit von Dürer
oder gar, wie man früher wollte, von dem mainfränkischen Grünewald zu bringen, mehr
oder weniger dem Wunsche entsprungen, eine empfmdliche Lücke in seinem Werdegang
auszufüllen, so hat das neuere Forschen nach greifbaren Spuren seiner Wanderzeit endlich
doch zu sichreren Ergebnissen geführt. Es unterliegt keinem Zweifel mehr, daß Cranach
auf seiner weiteren Wanderschaft die Donau abwärts zog und bis nach Wien gelangte,
wo er einen längeren, wahrscheinlich jahrelangen Aufenthalt nahm. Eine bescheidene
Anzahl von Frühwerken, datiert oder doch annähernd datierbar, bringt erstes Licht in das
bis dahin undurchdringliche Dunkel seiner Entwicklung. Allerdings bleibt festzuhalten,
daß die paar Holzschnitte und Gemälde, die uns endlich als erste begegnen, bereits dem
fast oder ganz Dreißigjährigen gehören — also „Frühwerke“ nur heißen dürfen, weil frühere
bisher nicht zu entdecken waren.

Abbildungen 2,3 Zwei Holzschnitte, Darstellungen der „Kreuzigung“, stehen am Eingang der
 
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