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Malkowsky, Georg [Compiler]
Die Pariser Weltausstellung in Wort und Bild — Berlin, 1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.1250#0134
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Die Pariser Weltausstellung in Wort und Bild

^~^=- Kaiser Wilhelm IL -~****=^

Nach dem Porträt von Professor Max Koner, in Holz geschnitten von Josef Reinhart.

AiiVs ist eine nicht mehr abzuleugnende Thatsache, dass
;,\-^' unser Kaiser zur Zeit in Paris die populärste Persön-

V ^ lichkeit ist. Seine Bildnisse in der Ausstellung sind
stets umlagert und man kann Aeusserungen belauschen, die
von Chauvinismus nichts mehr erkennen lassen. Max Koners
Kaiserporträt ist zum Rendezvous aller derer geworden, die
für die repräsentative Seite des Imperialismus Herz und Sinn
haben und uns um einen Herrscher beneiden, der dem be-
rechtigten monarchischen Selbstgefühl zugleich den Stempel
einer energischen Individualität aufzudrücken weiss. "Was
Max Koner mit dem Pinsel darstellte, hat Josef Reinhart
mit dem Grabstichel wiedergegeben. Mittelst feinen Durch-
stechens der Strichlagen sind alle Valeurs und Einzeltöne auf
das sorgfältigste zusammengestimmt. Der Stichel ist jeder
Richtung der Pinselführung gefolgt und hat in seine Technik
übersetzt, was irgend übertragbar war.

Der Holzschneider Josef Reinhart ist Wiener von Ge-
burt, hat dort die Holzschneidekunst erlernt, seine Studien an

Nachdruck ohne Quellenangabe verboten.

der Kunst- und an der Baugewerkschule in Stuttgart fortgesetzt,
und auf der Akademie und am Kunstgewerbemuseum in Berlin
beendet. Längerer Aufenthalt in den Ateliers in München,
Düsseldorf, Berlin, Zürich und Paris gab ihm wechselnde An-
regung. Nachdem er in der Wiener Staatsdruckerei sich eifrig
an dem Bilderschmuck des Prachtwerkes „die österreichisch-
ungarische Monarchie" und an der Illustrierung der Reisen
des Afrika-Forschers Dr. Holub beteiligt und auch eine Reihe
von Miniaturholzschnitten nach Zeichnungen von Giacomelli-
Paris angefertigt, hat er sich dauernd in Schöneberg bei Berlin
niedergelassen.

Reinhart ist einer der talentvollsten Vertreter des male-
rischen Holzschnittes, der ohne die solide Art der Linien-
manier aufzugeben, in Anlehnung an die Moderne besonders
das Tonige zum Ausdruck zu bringen weiss und sich den
mechanischen Reproduktionsverfahren gegenüber das Recht
nachempfindender Künstlerschaft wahrt, die verständnisvoll
aus der einen Technik in die andere überträgt. G. M.

Vom grünen Tisch der Jury. Im Artikel 89 des Aus-
stellungsreglements heisst es: „Ausser Wettbewerb bei den
Prämiierungen stehen alle diejenigen, die die Funktionen eines
Jurymitgliedes oder eines Ersatzmannes angenommen. Diese
Bestimmung gilt auch für alle ausstellenden Gesellschaften, die
in der Jury durch einen Beamten oder durch einen Agenten
vertreten sind, der in irgend einer Eigenschaft zu ihrem
ständigen Personal gehört." Das ist hart, denn es handelt sich
hier darum, dass man das Amt als Preisrichter nicht nur nicht
innerhalb der Sektion ausüben darf, in der man selbst ausge-
stellt hat, sondern auch in keiner anderen, welcher Art sie
auch sein möge: Da wird es schwer sein, die nötige Anzahl
von Juroren zu finden, und es kann vorkommen, dass eine
grosse Firma ohne jede Auszeichnung bleibt, obwohl sie sich
die zu erwartende Ehre hunderttausende hat kosten lassen,
weil einer ihrer Angestellten ohne Rücksicht auf den oben
zitierten Reglementsparagraphen zufällig in die Jury hinein-
geraten ist. —

Das „veraltete" Velociped. In der retrospektiven
Verkehrsausstellung hat neben den imposanten Galakarossen
und Kutschen, neben den Sänften und plumpen Reisewagen
auch ein Velociped seinen Platz gefunden. Kaum dreissig
Jahre nach seiner Erfindung zum alten Eisen geworfen! Die
Zeit des Automobilismus geht schnell über alles Neue fort
zum Neuesten. —

DieAusstellungundderfortgesetzteKonkurrenz-
kämpf. Auf politischem wie auf wirtschaftlichem Gebiet
zeitigt ein Krieg den anderen. Der sogenannte friedliche Wett-
streit der Nationen hat in Paris auf dem Gebiet des Maschinen-
wesens hauptsächlich zwei Konkurrenten einander gegenüber-
gestellt, die Deutschen und die Amerikaner. Jenseits des
grossen Wassers hat man beschlossen, die amerikanischen
Maschinen direkt vom Seineufer nach Moskau zu überführen
und den Russen klarzumachen, dass sie nur bei intensiver,
durch alle Hilfsmittel der Technik unterstützter Bearbeitung
des Bodens ihrer Heimat alle Schätze der Landeskultur ab-
ringen können. Naturlich ist die Tragweite dieses Beschlusses
der deutschen Regierung nicht entgangen. Sie hat zunächst
ein Gutachten des Centralverbandes der Industriellen eingeholt
und nachdem dieses zustimmend ausgefallen, in Aussicht ge-
nommen, dem gefährlichen Konkurrenten fern nach dem Osten
zu folgen und den Kampf auf dem jungfräulichen Boden des
heiligen Russland energisch aufzunehmen. Hoffentlich beklagen
sich unsere Agrarier nicht, dass man mit Hilfe der Industrie
die russische Landwirtschaft stärkt und ihr so die Möglichkeit
des Getreideesports über unsere Grenzen erleichtert. —

Russische Ostereier. Die Witwe Alexander III. und
die Gemahlin Nikolaus II. haben die Ostereier ausgestellt; mit
denen sie ihre Gemahlinnen an dem hohen Feste zu erfreuen
pfiegten. Es sind niedliche, aber recht kostspielige Atrappen,
deren Inneres irgend eine Miiiiaturerinnerung an ein wichtiges

Ausstellungs-Zickzack. ^^^

Nachdruck ohne Quellenangabe verboten.

Ereignis im Leben des hohen Spenders umschüesst. Als
Alexander III. von seiner Reise um die Welt zurückkehrte,
erhielt seine Gemahlin ein diamantenbesetztes Jaspisei, in dem
sich ein richtiges Schiffsmodell befand. Der Rumpf ist aus
einem grünen Beryll, Deck, Masten, Anker und Kanonen sind
aus Gold hergestellt. Im Krönungsjahr erhielt die jetzige
Kaiserin von ihrem Gatten ein goldenes Ei, das in seinem
Inneren die Galaequipage barg, in der das Herscherpaar in die
Moskauer Kathedrale fuhr." Selbst die Polster sind in rotem
Email imitiert und die zwei Centimeter langen Fenstervorhänge
lassen sich hin- und herziehen. Am sinnigsten ist die dies-
jährige Ostergabe des Czaren. Im Innern des Eis befinden
sich 'fünfundzwanzig Miniaturen der Mitglieder der kaiserlichen
Familie, die ein edelsteingeschmücktes Herz umgeben mit
der In Brillanten hergestellten Inschrift: „Das Herz meiner
Czarina". —

Nationale Restaurants. Wenn man vom Niveau der
Völkerpaläste zum Seineufer hinabsteigt, gelangt man in das
Bereich der Erfrischungslokale.. Da giebt es z. B. eine grie-
chische „Ristoration" mit befrackten "Kellnern und einer Kapelle,
die mit anerkennenswerter Ausdauer nicht etwa althellenische
Musik exekutiert, sondern sich mit der zweifelhaften Wieder-
gabe der internationalen Operettenmelodien und Gassenhauer
abmüht, wie etwa der durch einen Plagiatprozess gerichtskundig
gewordenen Gigerl-Königin. In der spanischen „Feria" hat
sich gar eine „Bar" etabliert, in der von glutäugigen Andalu-
sierinnen die kältesten amerikanischen Drinks kredenzt werden,
als ob es niemals Cuba und die .Philippinen gegeben hätte.
Es ist merkwürdig, wie das Geldverdienen auf der Ausstellung
die Nationen einander näher bringt und auch auf diesem nicht
mehr ungewöhnlichen Wege den Vöikerfrieden fördert. —

Ein Idealist unter den Ausstellern. Die Nancygläser,
die in Paris Furore machen, sind auch bei uns seit Jahren be- .
kannt und geschätzt. Die wenigsten wissen, dass sie ihre
Entstehung dem idealen Bestreben des Sohnes eines ehe-
maligen Armeelieferanten Napoleons III. verdanken, der es
sich zur Aufgabe gemacht hat, das Kunstgewerbe individuell
umzugestalten. Er hat zwei Jahrzehnte und ein grosses Ver-
mögen für diesen Zweck geopfert. Heute beschäftigt er mehr
als 5C0 Arbeiter, aber ohne nennenswerten Verdienst, .da es
oft einer Reihe von hundert Versuchen bedarf, ehe ein den
künstlerischen Intentionen des Erfinders entsprechendes Glas
aus den Oefen des Herrn Emile Salle" hervorgeht. —

Die Ausstellung von San Marino. Die kleinste
europäische Republik hat ihren Nationalpalast dicht neben dem
Eiffelturm errichtet. Sie hat ausser einem kleinen Holzmodell
ihres Regierungsgebäudes nicht übermässig viel auszustellen.
Aber in einer Vitrine befindet sich ein denkwürdiges historisches
Dokument. Es ist der Vertrag, in dem der General Bonaparte,
der Eroberer Italiens, dem Miniaturstaat den Frieden und die
Unabhängigkeit garantiert.
 
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