Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Malkowsky, Georg [Compiler]
Die Pariser Weltausstellung in Wort und Bild — Berlin, 1900

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.1250#0306
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Die Pariser Wettausstellung in Wort und J

Wand arm; entworfen von Eugen Bemcr.

Vereinigte Werkstätten

für Kunst und Handwerk, München.

der Messerfolge, der Augen-
klassen und zahlreiche Pho-
tographien zur Veranschau-
lichung der Messungen und
Beschreibungen erregt bei
Laien und Fachleuten das
grösste Interesse und wird
hoffentlich dazu beitragen,
das Berti Uonsche Verfahren
noch weiter zu verbreiten,
als es bereits jetzt der Fall
ist. Denn das Verfahren
kann erst dann eine wirk-
same Waffe gegen das
Verbrechertum, insonder-
heit das gewohnheits-
mässige werden, wenn es
international geworden ist.
Dazu gehört nicht, dass
sämtliche Poltzeiverwal-
tungen eines Landes dar-
nach arbeiten, obwohl das
immerhin wünschenswert
bleibt. Wichtig ist seine
Einführung in allen den-
jenigen Verkehrszentren,
die der Sammelplatz ge-
werbs- oder gewohnhehs-
mässiger Verbrecher sind;
wichtig ist ferner eine inter-
nationale Einigung über
' gleichmässige, in der Form
übereinstimmende Messungen und Beschreibungen, über Mess-
instrumente, Messkarten, Abkürzungen u. dergl. mehr; wichtig
ist endlich die Bestimmung einer Zentralstelle in jedem Lande
zur Sammlung und Einordnung aller Messkarten. Dass seineVor-
züge die ihm gebührende Anerkennung erfahren haben, be-
weist seine Einführung in namhaften Poüzeiplätzen des In-
und Auslandes, die sich durch mehr oder minder kleine Mit-
teilungen an dieser Pariser Specialausstellung beteiligt haben.
So finden wir Photographien, Haarfarbenskalen, Augenskalen,
Ohrmuscheln und Hilfsmittel zum Unterricht des Erkennungs-
amtes in Wien, der Polizeibehörden zu Berlin und Hamburg,
von denen die erstere um die Einführung des Verfahrens in
Deutschland sehr grosse Verdienste hat; ferner Mitteilungen
und Photographien aus Russland (Petersburg), England, Hol-
land, Schweiz, Dänemark, Rumänien, Spanien, Egypten, Bra-
silien, Kanada und den Vereinigten Staaten von Nordamerika
— fürwahr ein sprechender Beweis für die reiche Aner-
kennung, die Bertillon und sein Verfahren in aller Welt er-
fahren haben.

Den Beschluss der polizeilichen Ausstellung bilden photo-
graphische Darstellungen des Gefängnisses zu Nanterre und
des Arbeitshauses zu Viliers - Cotterets; statistische Tabellen
und Pläne über ansteckende Krankheiten, Unfallstationen, das
Leichenschauhaus und anderes mehr, wozu dann noch die
kleine Ausstellung der Feuerwehr hinzutritt, bestehend in
Feuerlöschgeräten aller Art, Rauchschutzvorkehrungen, Feuer-
meldern, Wasseranschlüssen u. s. w., die aber nichts neues
bietet und wohl mehr als eine Vervollständigung des ge-
saraten darstellbaren Pariser Polizeiwesens anzusehen ist.

Hat man durch das Studium der polizeilichen Ausstellung
sein Interesse für polizeiliche Einrichtungen gestärkt oder wach-
gerufen, so wird man gern geneigt sein, auch der „lebenden
Polizei-Ausstellung", den Einrichtungen, die anlässlich der
Ausstellung seitens der Polizeiverwaltung getroffen sind,, sein
Augenmerk zuzuwenden. Unsere nach dieser Richtung hin

gemachten Wahrnehmungen sind gute; der polizeiliche Apparat
ist vortrefflich eingerichtet und funktioniert auf das Beste. Es
ist das kein Wunder; ist doch die gegenwärtige Pariser Welt-
ausstellung die fünfte ihres Zeichens, und zwar mehr oder
weniger auf demselben Gelände! Da lassen sich schon Er-
fahrungen sammeln und verwerten und es wäre nicht zu .ver-
stehen, wenn der Apparat nicht zweckentsprechend funktio-
nieren würde. Der „Mobilmachungsplan" muss gewisser-
massen fertig vorliegen und darf jedes Mal nur noch daraufhin
kontrolliert werden, welche Mängel, die früher aufgetreten sind,
zu vermeiden sein werden.

Wesentliche Unterstützung findet die Polizeiverwaltung
ferner in dem Pariser, bezw. französischen Ausstellungspubli
kum selbst, dem sich der fremde Ausstellungsbesucher wohl
oder übel anschliessen muss. Ohne die Pariser von einem
gewissen „Blaukoller" freisprechen zu wollen — der besteht
dort, wie bei uns, der von der Polizei Angefasste ist der Unter-
drückte, für den auch der Franzose gern Partei nimmt —, es
gehört einmal nicht zu ihren Charaktereigentümlichkeiten, der
Polizei unnötige Schwierigkeiten zu machen. Immerhin darf
das nicht abhalten, gern anzuerkennen, dass die Stadt Paris
mit Mitteln nicht gekargt und die Schaffung einer Ausstellungs-
polizei ermöglicht hat, die allen büligerweise zu stellenden
Anforderungen genügt.

Als bekannt muss hier vorausgesetzt werden, dass der
polizeiliche Schutz in Paris von zweierlei Beamten gewährt
wird, die von derselben Stelle res sortieren, aber selbständig
neben einander bestehen. An der Spitze jedes der 80 quartiers
von Paris steht ein commissaire de police, der die Obliegen-
heiten einer Magistratsperson, eines „officier de la police judi-
ciaire" und eines Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft in sich
vereinigt. Er ist zu vergleichen mit dem Vorsteher eines
Polizeireviers in Berlin und anderen grossen Städten, hat aber
als Magistratsperson nicht unerheblich weitergehende Befug-
nisse. Eine Uniform trägt er nicht, sein Amtsabzeichen ist
die dreifarbige Schärpe, die er in vorkommenden Fällen anlegt.

Unabhängig von ihm, jedoch eventuell zu seiner Verfügung
stehend, ist die eigentliche Exekutive, die Munizipalpolizei, be-
fehligt von einem directeur und 4 inspecteurs divisionnaires,
unter denen die officiers de la paix, die inspecteurs. princi-
paux, brigadiers, sous-brigadiers und gardiens de la paix stehen,
im ganzen etwa 8000 Mann.

Daneben wird ein. Teil des polizeilichen Dienstes, ins-
besondere des Aufsichtsdienstes in den Theatern, durch die
garde republicaine zu Pferde und zu Fuss
wahrgenommen, eine militärisch organisierte Elite-
truppe, die etwa einem Gendarmeriekorps ver-
gleichbar wäre.

. .Kleiderhaken;.entworfen von B. Pankpk.

Vereinigte Werkstatten für Kunst und Handwerk, Hünchen.
 
Annotationen