Die Pariser Weltausstellung in Wort und Bild.
leiden mögen, einen Zollverband, dem niemand recht traut,
einzugehen, oder überall in der Welt durch Eroberung schwarze
und gelbe Nationen dahin zu bringen, dass sie, einem deutschen
Weltreich unterworfen, deutsche Waren, mögen säe wollen
oder nicht, kaufen. Gegenüber diesen Programmen hat zwar
im Sommer 1900 Professor Dietzel in zwei Schriften „Die
Theorie von den drei Weltreichen" und „Weltwirtschaft und
Volkswirtschaft" mit sehr viel Scharfsinn und Sachkenntnis
Protest erhoben. Indes die Gelehrten sind in Deutschland zurZeit
in Sachen der Handelspolitik uneinig. Und selbst wenn sie einig
wären, wäre fraglich, ob sie die Politiker bestimmen könnten.
Es bleibt dem Einzelnen nichts übrig, als selbst durch
eigenes Nachdenken — und zwar in Anknüpfung an die Ergeb-
nisse der Pariser Weltausstellung -^seinen Weg zu suchen.
In der Hauptsache lautet das Problem der Zukunft: welche
künftige Handelspolitik ist bei Deutschlands derzeitigem Ent-
wicklungsstadium eine wahrhaft nationale? Ist es die Politik
des Hochschutzzolles oder diejenige, welche Graf Caprivi-in-
auguriert hat? Ist vielleicht eine mehr freihändlerische Politik,,
die man als kosmopolitisch angreift, die wahrhaft -nationale in ■
Deutschlands Interesse?
Die Weltausstellung bot viel Gelegenheit hierüber nach-
zudenken. Kurz gesagt, gewinnt man beim Durchwandern
den Eindruck, dass sehr viel von' all dem, was sich in den
verschiedenen Ländern als „nationale Industrie" schützen lässt,
nichts ist--wie-Filialanstalten internationaler Unternehmungen.
C. Waschmann; Schale, in Silber getrieben.
Wenn dieselben Kapitalisten nach, dem Ämmoniakver-
fahren Soda in Belgien, in Deutschland oder sonstwo fabri-
zieren, so heisst dies überall nationale Arbeit, die durch Zölle
in dem betreffenden Lande nach dem heute üblichen System,
und zwar in Deutschland sehr ausgiebig, geschützt wird. * Die
Elektricitätsunternehmungen, von denselben Kapitalisten in
den verschiedensten Ländern begründet, treten überall als
nationale Industrie auf. Die Farbwerke, die Baumwollspinne-
reien, die Bleistiftfabriken, sind in jedem Lande nationale In-
dustrie, aber wer die Gründungsgeschichte der grössten Unter:
nehmungen verfolgt, erblickt hinter den verschiedensprachigen
Firmen wohlbekannte Kapitalisten, die überall unter Aus-
nutzung der protektionistischen Schutzpolitik Werkstätten mit
verschiedener nationaler Firma betreiben. Eine Anzahl El-
sässer besitzen Fabriken diesseits und jenseits der Vogesen:
die Fabriken desselben Unternehmers beanspruchen in Deutsch-
land a!s deutsche, in Frankreich als französische - nationale
Arbeit kräftige Unterstützung durch hohe Schutzzölle.
Die ernste Frage der Zukunft lautet: Ist es denn Deutsch-
lands Interesse, ist es nationale Politik, durch Hochschutzzoll
diese Bestrebungen weiter zu fördern? Wirkt nicht unsere
Hochschutzpolitik im Sinne der Verlegung des Standorts ge-
sunder Exportindustrien ins Ausland? -Erregt unsere deutsche
Handelspolitik bei anderen Ländern Feindschaft oder verteuert
bei uns die Politik der Lebensmittelzölle und der Ihdustrie-
kartelle daheim die Produktionskosten, so wandert das Kapital
über die Grenze. Die auf deutschen Hochschulen gebildeten
tüchtigsten deutschen Ingenieure und Chemiker, eventuell auch
ein Stamm von Vorarbeitern werden zu glänzenden Bedin-
gungen draussen engagiert. Jenseits der deutschen Grenze
entsteht in Russisch-Polen eine Unternehmung deutschen Ur-
sprungs, die dort als russische nationale Arbeit geschützt wird.
Technisch wird sie in einiger Zeit vielleicht auf gleicher Höhe
stehen, wie die gleichartige Unternehmung Deutschlands, viel-
leicht diese überflügeln. Von deutschem Kapital begründet,
gebt sie später in russische Hände über, geradeso wie viele
in Deutschland ursprünglich mit englischem und belgischem
Geld begründete Fabriken schliesslich ganz in deutschen :Besitz
gekommen sind. Drücken wir dasselbe anders aus: eine Poli-
tik, welche unter der Flagge des Schutzes der nationalen
deutschen Arbeit die Selbstkosten unserer Exportindustrien
verteuert, die fremden Staaten zu Repressalien gegen uns
reizt und selbst bei neuen Handelsvertragsverhandlüngen zu-
erst das Beispiel ausgiebiger Erhöhung des Generaltärifs bietet,*
wird gerade den Zielen einer nationalen wirtschaftlichen För-
derung Deutschlands bei der heutigen Entwickelungsstufe
unseres Vaterlandes zuwider ■ wirken. Das deutsche Kapital,
soweit es nicht fest-
gelegt, sondern be-
weglich ist, insbe-
sondere die Riesen-
unternehmungen,
wenn sie vor dem
Entschlüsse stehen,
irgendwo Ver-
grösserungen oder
Neuanlagen zu be-
gründen, sind frei-
zügig; sie wandern
aus, wenn es der
Deutschen Han-
delspolitik nicht ge-
lingt, die Erzeu-
gung der Waren
fürs Ausland durch
die Lebensmittel-
■ preise in Deutsch-
leiden mögen, einen Zollverband, dem niemand recht traut,
einzugehen, oder überall in der Welt durch Eroberung schwarze
und gelbe Nationen dahin zu bringen, dass sie, einem deutschen
Weltreich unterworfen, deutsche Waren, mögen säe wollen
oder nicht, kaufen. Gegenüber diesen Programmen hat zwar
im Sommer 1900 Professor Dietzel in zwei Schriften „Die
Theorie von den drei Weltreichen" und „Weltwirtschaft und
Volkswirtschaft" mit sehr viel Scharfsinn und Sachkenntnis
Protest erhoben. Indes die Gelehrten sind in Deutschland zurZeit
in Sachen der Handelspolitik uneinig. Und selbst wenn sie einig
wären, wäre fraglich, ob sie die Politiker bestimmen könnten.
Es bleibt dem Einzelnen nichts übrig, als selbst durch
eigenes Nachdenken — und zwar in Anknüpfung an die Ergeb-
nisse der Pariser Weltausstellung -^seinen Weg zu suchen.
In der Hauptsache lautet das Problem der Zukunft: welche
künftige Handelspolitik ist bei Deutschlands derzeitigem Ent-
wicklungsstadium eine wahrhaft nationale? Ist es die Politik
des Hochschutzzolles oder diejenige, welche Graf Caprivi-in-
auguriert hat? Ist vielleicht eine mehr freihändlerische Politik,,
die man als kosmopolitisch angreift, die wahrhaft -nationale in ■
Deutschlands Interesse?
Die Weltausstellung bot viel Gelegenheit hierüber nach-
zudenken. Kurz gesagt, gewinnt man beim Durchwandern
den Eindruck, dass sehr viel von' all dem, was sich in den
verschiedenen Ländern als „nationale Industrie" schützen lässt,
nichts ist--wie-Filialanstalten internationaler Unternehmungen.
C. Waschmann; Schale, in Silber getrieben.
Wenn dieselben Kapitalisten nach, dem Ämmoniakver-
fahren Soda in Belgien, in Deutschland oder sonstwo fabri-
zieren, so heisst dies überall nationale Arbeit, die durch Zölle
in dem betreffenden Lande nach dem heute üblichen System,
und zwar in Deutschland sehr ausgiebig, geschützt wird. * Die
Elektricitätsunternehmungen, von denselben Kapitalisten in
den verschiedensten Ländern begründet, treten überall als
nationale Industrie auf. Die Farbwerke, die Baumwollspinne-
reien, die Bleistiftfabriken, sind in jedem Lande nationale In-
dustrie, aber wer die Gründungsgeschichte der grössten Unter:
nehmungen verfolgt, erblickt hinter den verschiedensprachigen
Firmen wohlbekannte Kapitalisten, die überall unter Aus-
nutzung der protektionistischen Schutzpolitik Werkstätten mit
verschiedener nationaler Firma betreiben. Eine Anzahl El-
sässer besitzen Fabriken diesseits und jenseits der Vogesen:
die Fabriken desselben Unternehmers beanspruchen in Deutsch-
land a!s deutsche, in Frankreich als französische - nationale
Arbeit kräftige Unterstützung durch hohe Schutzzölle.
Die ernste Frage der Zukunft lautet: Ist es denn Deutsch-
lands Interesse, ist es nationale Politik, durch Hochschutzzoll
diese Bestrebungen weiter zu fördern? Wirkt nicht unsere
Hochschutzpolitik im Sinne der Verlegung des Standorts ge-
sunder Exportindustrien ins Ausland? -Erregt unsere deutsche
Handelspolitik bei anderen Ländern Feindschaft oder verteuert
bei uns die Politik der Lebensmittelzölle und der Ihdustrie-
kartelle daheim die Produktionskosten, so wandert das Kapital
über die Grenze. Die auf deutschen Hochschulen gebildeten
tüchtigsten deutschen Ingenieure und Chemiker, eventuell auch
ein Stamm von Vorarbeitern werden zu glänzenden Bedin-
gungen draussen engagiert. Jenseits der deutschen Grenze
entsteht in Russisch-Polen eine Unternehmung deutschen Ur-
sprungs, die dort als russische nationale Arbeit geschützt wird.
Technisch wird sie in einiger Zeit vielleicht auf gleicher Höhe
stehen, wie die gleichartige Unternehmung Deutschlands, viel-
leicht diese überflügeln. Von deutschem Kapital begründet,
gebt sie später in russische Hände über, geradeso wie viele
in Deutschland ursprünglich mit englischem und belgischem
Geld begründete Fabriken schliesslich ganz in deutschen :Besitz
gekommen sind. Drücken wir dasselbe anders aus: eine Poli-
tik, welche unter der Flagge des Schutzes der nationalen
deutschen Arbeit die Selbstkosten unserer Exportindustrien
verteuert, die fremden Staaten zu Repressalien gegen uns
reizt und selbst bei neuen Handelsvertragsverhandlüngen zu-
erst das Beispiel ausgiebiger Erhöhung des Generaltärifs bietet,*
wird gerade den Zielen einer nationalen wirtschaftlichen För-
derung Deutschlands bei der heutigen Entwickelungsstufe
unseres Vaterlandes zuwider ■ wirken. Das deutsche Kapital,
soweit es nicht fest-
gelegt, sondern be-
weglich ist, insbe-
sondere die Riesen-
unternehmungen,
wenn sie vor dem
Entschlüsse stehen,
irgendwo Ver-
grösserungen oder
Neuanlagen zu be-
gründen, sind frei-
zügig; sie wandern
aus, wenn es der
Deutschen Han-
delspolitik nicht ge-
lingt, die Erzeu-
gung der Waren
fürs Ausland durch
die Lebensmittel-
■ preise in Deutsch-