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Raddatz, Klaus; Hundt, Hans-Jürgen; Zedelius, Volker
Materialhefte zur Ur- und Frühgeschichte Niedersachsens (Heft 10): Grabfunde der römischen Kaiserzeit und Völkerwanderungszeit von Kirchweyhe und Osterholz: Kreis Grafschaft Hoya — Hildesheim: Verlag August Lax, 1976

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https://doi.org/10.11588/diglit.63214#0044
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worden, so daß es dem Verfasser unmöglich ist, eine genaue Unterscheidung im Sinne von Willers
vorzunehmen. Es ist unklar, ob z. B. die heute noch erkennbaren Spuren auf der Innenseite des
gerippten Fußbeckens von Kirchweyhe (Kat. Nr. 11) die einzigen waren und ob solche bei der
Auffindung auf der Außenseite fehlten; letztere könnten im Laufe der Zeit nach der Fundbergung
abgerieben worden sein. Folgt man der Unterscheidung von Willers, kann angenommen werden,
daß in mehreren Fällen der Leichenbrand in ein Tuch gewickelt in dem Metallbehälter niedergelegt
wurde (Kirchweyhe Kat. Nr. 11; Osterholz Kat. Nr. 1, a; 5; 11). Die Textilien erklärt Willers ein-
leuchtend als Reste von Tüchern, die neben dem niedergebrannten und abgelöschten Scheiterhau-
fen ausgebreitet wurden, um auf ihm die kalzinierten Knochen einzusammeln. Die auf der Außen-
seite zweier Hemmoorer Eimer erhaltenen Stoffreste dürften dagegen besagen, daß die Leichen-
brandbehälter in Tücher gewickelt beigesetzt wurden.
Zahlreiche Belege für den Brauch, den Leichenbrand in Tücher zu wickeln und dann in Urnen
zu bestatten, hat WILLERS beigebracht (1901, 89). Frühere Beispiele lassen sich aus Dänemark
bereits aus der Periode III der Bronzezeit nennen (BROHOLM 1954, 139 zu Nr. 1245 und andere;
142 zu Nr. 1152. 2750). Aus der vorrömischen Eisenzeit Dänemarks und des norddeutschen Flach-
lands scheint die Sitte dagegen bisher nicht nachgewiesen zu sein, denn es gibt von den großen Ur-
nenfriedhöfen keine Hinweise (z. B. KEILING 1962, RANGS-BORCHLING 1963; BEHRENS
1968). An den zahlreichen Beigaben hätten sich Textilreste erhalten müssen, falls sie zusammen mit
dem Leichenbrand in ein Tuch gewickelt in die Urne gelegt worden wären. Erst mit Beginn der äl-
teren römischen Kaiserzeit läßt sich diese Sitte wieder beobachten (WILLERS 1901, 89), wo sie im
Freien Germanien von Norwegen bis ins Elbe-Gebiet — wenn auch nur selten — auftritt (WIL-
LERS 1901, 89 mit Anm. 4; WEGEWITZ 1972, 288). Zwar sind die Vorkommen an Bronzegefäße
gebunden und daraus könnte sich ein schiefes Bild ergeben, da die Erhaltung der Textilien durch
die konservierende Wirkung der Kupfersalze bedingt ist, während die zum Einhüllen benutzten Tü-
cher sich in tönernen Urnen spurlos aufgelöst haben könnten. Gegen letztgenannte Möglichkeit
spricht jedoch die Beobachtung, daß Textilreste an Eisengeräten und Waffen einfacher Urnengrä-
ber der älteren römischen Kaiserzeit nicht selten nachweisbar sind (z. B. RANGS-BORCHLING
1963, Grab 313. 316. 359. 405. 446. 595. 633. 654. 658; TISCHLER 1954, 139 e; Taf. 57, 11;
TISCHLER 1955 Grab 34, c). Diese Reste stammen aber in den vorgenannten Fällen sicher nicht
von Tüchern, in die der Inhalt der Urnen eingeschlagen war, sondern z. T. von futteralartigen
Hüllen oder anderen Textilien, deren Funktion nicht eindeutig bestimmbar ist. Wäre es in der älte-
ren römischen Kaiserzeit in größerem Umfang üblich gewesen, den Leichenbrand samt Beigaben
von Tüchern umhüllt in tönernen Urnen beizusetzen, hätten sich an den zum Teil sehr umfangrei-
chen Ausstattungen mit eisernen Waffen und Geräten bzw. Bronzegegenständen in viel mehr Fällen
Textilreste — auch größere Stücke — erhalten müssen. Man darf daher folgern, daß im Freien
Germanien nur in Ausnahmefällen Leichenbrand und Beigaben in ein Tuch gehüllt bestattet wur-
den. In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, daß in einigen der als Beleg für diese Sitte
seit Engelhardt angeführten Fälle (ENGELHARDT 1881, 119; WILLERS 1901, 89) nicht sicher
ist, daß es sich bei den festgestellten Textilien wirklich um Reste von Tüchern handelt, die man
zum Einschlagen benutzt hat. So läßt z. B. die Beschreibung des Grabes 99 von Broholm, Mölle-
gaardsmarken, Fünen (SEHESTED 1878, 162), auch die Deutung zu, daß dem Toten ein Beklei-
dungsstück mit den Beigaben in die Urne gelegt worden ist. Die gleiche Interpretation muß nach
der Beschreibung auch für den Fund 150 von Putensen, Kr. Harburg, erwogen werden, bei dem
besonders die auf ein Stoffstück gehefteten Fibeln in diese Richtung deuten könnten (WEGEWITZ
1972, 82). Ob der Befund des Grabes 507 von Kemnitz, Kr. Potsdam-Land (GEISLER 1974, 58)
— eine Urne, in dem die Beigaben, aber nicht der Leichenbrand in Leinwand gewickelt war — in
diesem Rahmen zu berücksichtigen ist, muß dahingestellt bleiben. Die von Willers genannten Fun-
de bezeugen jedoch einwandfrei, daß die Leichenbrände in Tücher eingeschlagen waren. Viel selte-
ner als eingewickelter Leichenbrand lassen sich umhüllte Leichenbrandbehälter nachweisen. Da bei
Verwendung von Tonurnen in der Regel ein restloser Abbau von Textilien vorauszusetzen ist, kann

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