mals von dem in den fünfziger Jahren allgemeiner auftretenden, mehr modischen Interesse an
den Etruskern, es war vor allem ausgelöst worden von den großen Etruskerausstellungen je-
ner Zeit, bis dahin noch gar keine Kenntnis genommen. Die in mancher Hinsicht dem moder-
nen Empfinden merkwürdig nahestehende, ihrem Wesen nach zutiefst unklassische Kunst der
Etrusker begann damals viele zu faszinieren, und neben Van Goghs Brücke von Arles gehör-
ten die berühmten Bilder vom Flötenspieler und Tänzer aus den Grabmalereien von Tarqui-
nia bald zum beliebtesten Wandschmuck des gebildeten Studenten, bis sie dann einigermaßen
unvermittelt vom Che-Guevara-Poster abgelöst werden sollten. Jedenfalls waren seitdem für
mich die Namen Veji und Vulci, Tarquinia, Chiusi und Caere magische Begriffe, und als ich
Jahre später zum ersten Mal nach Rom reisen konnte, wurde mir bald bewußt, daß mein ei-
gentliches Ziel gar nicht nur die ewige Stadt war, sondern, wie ich noch immer zu wissen
meinte, zunächst jenes im Jahre 394 zerstörte Veji, in Rom selbst aber nicht zuletzt die etrus-
kischen Sammlungen in der Villa Julia, dem schönsten Museum der Stadt. Ausgehend vom
Erlebnis der historischen Landschaft und von der unmittelbaren Ansschauung hat sich seit-
dem auf vielen Reisen und Wanderungen der reizvolle, für uns so eng mit der toskanischen
Landschaft verflochtene Zauber jener versunkenen etruskischen Welt stärker erschlossen.
Damit aber ist eben der Ausgangspunkt der engeren Bekanntschaft mit Klaus Raddatz be-
schrieben.
Er selbst hatte im Jahre 1962, anläßlich eines Archäologenkongresses in Rom, die Gegend am
Bolsena-See kennengelernt und war begeistert von der Schönheit dieser Landschaft zurückge-
kommen. Später und bis heute führten regelmäßige Ferienaufenthalte ihn und seine Familie
nach Bolsena, auf halbem Wege zwischen Rom und Siena, an die Gestade des Sees, in diese
(noch) unangetastete Oase im „Herzen Etruriens”. Kurzum: weil für ihn nur wahrhaft „akti-
ve” Ferien denkbar sind, nahmen von da an auch notwendig seine etrurischen Forschungen
ihren Lauf. Was er schon in seiner Jugend, als überwiegend auf dem Dorf aufwachsender
Schüler, ausdauernd praktizierte und etwa in den harten frühen Nachkriegsjahren als Hafen-
arbeiter in Bremen in jeder freien Stunde nicht unterlassen konnte: Felder zu „begehen”,
„Scherbenschleier” zu registrieren und vorgeschichtliche Siedlungen aufzuspüren, so nun
auch hier in Etrurien, und wie er am Ufer der Weser seine eigene Tochter damit infizierte, so
am Ufer des Bolsena-Sees auch mich. Als er, nach mehrjährigem Spanienaufenthalt, nach
Schleswiger Museums- und Göttinger Kustodenzeit, seit 1968 am Historischen Seminar der
damaligen TU Hannover die neu eingerichtete Professur für Vor- und Frühgeschichte über-
nahm, war es dann glücklicherweise für mich unvermeidbar, daß der Assistent und bald der
jüngere Kollege der neueren Geschichte von seinen ausgebreiteten Fachkenntnissen zu profi-
tieren suchte und sich, wann immer es möglich war, in den Kreis seiner Hörer im Fach Vorge-
schichte einreihte. Dabei ging es freilich noch weniger um die Etrusker als „Bringer des
Lichts”, vielmehr um so solide Themen wie Glockenbecherkultur und Bestimmungsübungen,
aber auch um Feldbegehungen und Fundaufnahme. Von hier aus sollte es nicht lange dauern,
daß der hochgeschätzte ältere Kollege schließlich umgekehrt auch das Seminar des Jüngeren
aufsuchte, um nun seinerseits als ebenso engagierter wie kenntnisreicher Teilnehmer das Se-
mesterprogramm, die „Entstehung der Weimarer Republik”, temperamentvoll mitzudisku-
tieren.
In diesen Semestern der universitären Studentenunruhen wurden dem Professor Raddatz von
Seiten der Studenten stets unangefochten gleichermaßen Respekt und Beliebtheit zuteil, und
das blieb kennzeichnend für ihn. Es entsprach durchaus jener charakteristischen Geschichte,
die noch aus seiner Schleswiger Museumszeit überliefert wird: Als ein neuer Angestellter des
Museums den langgedienten Pförtner fragte: „Wer ist denn der Dr. Raddatz?” bekam er die
wissende Antwort: „Das ist der, dem alles nicht ordentlich, pünktlich und schnell genug
geht.” Stimmt dies etwa nicht zusammen mit dem Umstand, daß der Jubilar selbst einen be-
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den Etruskern, es war vor allem ausgelöst worden von den großen Etruskerausstellungen je-
ner Zeit, bis dahin noch gar keine Kenntnis genommen. Die in mancher Hinsicht dem moder-
nen Empfinden merkwürdig nahestehende, ihrem Wesen nach zutiefst unklassische Kunst der
Etrusker begann damals viele zu faszinieren, und neben Van Goghs Brücke von Arles gehör-
ten die berühmten Bilder vom Flötenspieler und Tänzer aus den Grabmalereien von Tarqui-
nia bald zum beliebtesten Wandschmuck des gebildeten Studenten, bis sie dann einigermaßen
unvermittelt vom Che-Guevara-Poster abgelöst werden sollten. Jedenfalls waren seitdem für
mich die Namen Veji und Vulci, Tarquinia, Chiusi und Caere magische Begriffe, und als ich
Jahre später zum ersten Mal nach Rom reisen konnte, wurde mir bald bewußt, daß mein ei-
gentliches Ziel gar nicht nur die ewige Stadt war, sondern, wie ich noch immer zu wissen
meinte, zunächst jenes im Jahre 394 zerstörte Veji, in Rom selbst aber nicht zuletzt die etrus-
kischen Sammlungen in der Villa Julia, dem schönsten Museum der Stadt. Ausgehend vom
Erlebnis der historischen Landschaft und von der unmittelbaren Ansschauung hat sich seit-
dem auf vielen Reisen und Wanderungen der reizvolle, für uns so eng mit der toskanischen
Landschaft verflochtene Zauber jener versunkenen etruskischen Welt stärker erschlossen.
Damit aber ist eben der Ausgangspunkt der engeren Bekanntschaft mit Klaus Raddatz be-
schrieben.
Er selbst hatte im Jahre 1962, anläßlich eines Archäologenkongresses in Rom, die Gegend am
Bolsena-See kennengelernt und war begeistert von der Schönheit dieser Landschaft zurückge-
kommen. Später und bis heute führten regelmäßige Ferienaufenthalte ihn und seine Familie
nach Bolsena, auf halbem Wege zwischen Rom und Siena, an die Gestade des Sees, in diese
(noch) unangetastete Oase im „Herzen Etruriens”. Kurzum: weil für ihn nur wahrhaft „akti-
ve” Ferien denkbar sind, nahmen von da an auch notwendig seine etrurischen Forschungen
ihren Lauf. Was er schon in seiner Jugend, als überwiegend auf dem Dorf aufwachsender
Schüler, ausdauernd praktizierte und etwa in den harten frühen Nachkriegsjahren als Hafen-
arbeiter in Bremen in jeder freien Stunde nicht unterlassen konnte: Felder zu „begehen”,
„Scherbenschleier” zu registrieren und vorgeschichtliche Siedlungen aufzuspüren, so nun
auch hier in Etrurien, und wie er am Ufer der Weser seine eigene Tochter damit infizierte, so
am Ufer des Bolsena-Sees auch mich. Als er, nach mehrjährigem Spanienaufenthalt, nach
Schleswiger Museums- und Göttinger Kustodenzeit, seit 1968 am Historischen Seminar der
damaligen TU Hannover die neu eingerichtete Professur für Vor- und Frühgeschichte über-
nahm, war es dann glücklicherweise für mich unvermeidbar, daß der Assistent und bald der
jüngere Kollege der neueren Geschichte von seinen ausgebreiteten Fachkenntnissen zu profi-
tieren suchte und sich, wann immer es möglich war, in den Kreis seiner Hörer im Fach Vorge-
schichte einreihte. Dabei ging es freilich noch weniger um die Etrusker als „Bringer des
Lichts”, vielmehr um so solide Themen wie Glockenbecherkultur und Bestimmungsübungen,
aber auch um Feldbegehungen und Fundaufnahme. Von hier aus sollte es nicht lange dauern,
daß der hochgeschätzte ältere Kollege schließlich umgekehrt auch das Seminar des Jüngeren
aufsuchte, um nun seinerseits als ebenso engagierter wie kenntnisreicher Teilnehmer das Se-
mesterprogramm, die „Entstehung der Weimarer Republik”, temperamentvoll mitzudisku-
tieren.
In diesen Semestern der universitären Studentenunruhen wurden dem Professor Raddatz von
Seiten der Studenten stets unangefochten gleichermaßen Respekt und Beliebtheit zuteil, und
das blieb kennzeichnend für ihn. Es entsprach durchaus jener charakteristischen Geschichte,
die noch aus seiner Schleswiger Museumszeit überliefert wird: Als ein neuer Angestellter des
Museums den langgedienten Pförtner fragte: „Wer ist denn der Dr. Raddatz?” bekam er die
wissende Antwort: „Das ist der, dem alles nicht ordentlich, pünktlich und schnell genug
geht.” Stimmt dies etwa nicht zusammen mit dem Umstand, daß der Jubilar selbst einen be-
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