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Stephan, Hans-Georg; Baart, Jan M. [Oth.]
Materialhefte zur Ur- und Frühgeschichte Niedersachsens (Heft 17): Coppengrave: Studien zur Töpferei des 13. bis 19. Jahrhunderts in Nordwestdeutschland — Hildesheim: Verlag August Lax, 1981

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2. Die Töpferei in Coppengrave
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https://doi.org/10.11588/diglit.65793#0027
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2.4 Zur mündlichen Überlieferung der Coppengraver Töpferei

Die mündliche Tradition über das Töpfergewer-
be in Coppengrave war bereits im Zeitraum der
Befragung von 1973 bis 1977 sehr verschwom-
men und nur durch einige wenige Gewährsleute
überhaupt ergiebig. Auch diese Quelle wird in
wenigen Jahren versiegt sein. Vor etwa 20 Jahren
hätte man noch einige alte Topfhändler und
möglicherweise auch Töpfer bzw. deren Söhne
und Töchter befragen können. Heute ist es da-
für zu spät, die Mehrzahl der Dorfbewohner
weiß nur aus der Schule mehr oder weniger Zu-
treffendes zu berichten; das Interesse ist in der
Regel gering, erst seit kurzem deutet sich ein
Wandel an. Einige ältere Leute (etwa Herr Hen-
nemann im Jahre 1977) wußten davon zu be-
richten, daß in verschiedenen Häusern Töpfer
gewohnt haben, und zwar im Haus Anger Nr. 8
(Thiele), neben der Kirche, bis etwa zur Jahr-
hundertwende. Frau Thiele konnte mir nur noch
die Stelle unmittelbar hinter dem heutigen
Wohnhaus zeigen, an welcher der Brennofen
gestanden hat.
Nach dem gleichen Gewährsmann war auch im
Haus Dorfstraße 16, unmittelbar an der Giene
bis etwa 1900 eine Töpferei. Er kannte auch
noch Topfhändler, so den Topfträger Wullen-
weber von der Krübben Mühle, der etwa bis
zum ersten Weltkrieg am Montag mit seiner
Kiepe voll Keramik loszog, um am Sonnabend
wieder heimzukehren.
Der alte Ortsvorsteher Küster (geb. 1893) ver-
körpert die Tradition noch am lebendigsten. Er
bestätigte die Ortsangaben und fügte hinzu, an
der Krübben Mühle sei bis ans Ende des 19.
Jahrhunderts eine Töpferei gewesen, deren Re-
ste er als Kind mit zerstört habe. Außerdem ar-
beitete auf dem Grundstück Ringstraße Nr. 29
(Bartels) bis etwa 1885 ein Töpfer Frey. Hier irrt
Herr Küster wahrscheinlich im Namen, nach
Auskunft von Herrn Bartels hieß der letzte Töp-
fer Verschwele, und er arbeitete mit seinen drei
Söhnen und weiteren Gehilfen. Die Erzeugnisse
wurden mit eigenem Pferdegespann bis Holland
und Schleswig-Holstein verkauft.
Nach Auskunft von Hermann Sürig (geb. 1895)
waren schon in seiner Kindheit alle Töpfereien
zum Erliegen gekommen. Immerhin formten
bis zum ersten Weltkrieg einige alte Töpfer noch

nebenher Gefäße, die dann in Duingen ge-
brannt wurden.
Etwas länger hielt sich am Orte der Topfhandel.
Die letzten ihres Gewerbes waren der alte Bei-
ning sowie August Sürig und Sohn, die Duinger
Steinzeug vertrieben. So eine Kiepe mit Töpfen
konnte wohl zwei Zentner wiegen, und der
Handel war ein mühsames Geschäft, das in der
Regel nur kümmerlich ernährte. Doch wurde
auch mancher reich, so der alte Sürig, der seinen
Wohlstand aber eher seiner Kunst im „Bespre-
chen” von Krankheiten verdankte. Er starb an
den schwarzen Blattern, infolge einer Infektion,
die er sich in Ausübung seines Berufs bei Zigeu-
nern zugezogen hatte.
Die letzten Topfhändler setzten ihre Ware nur
noch in der näheren Umgebung ab, namentlich
in Alfeld und Umgebung sowie im Raum um
Eschershausen. Die Ortschronik des alten Leh-
rers Lange ist leider verschollen, vielleicht könn-
te sie noch einige wichtige Aufschlüsse erbrin-
gen (auch eine Nachfrage bei der Niedersächsi-
schen Landesbibliothek in Hannover und beim
Staatsarchiv in Wolfenbüttel brachte ein negati-
ves Ergebnis).
An allen von den Gewährsleuten genannten
Stellen fanden sich Spuren der Töpferei aus der
Zeitspanne vom 16./17. bis zum 19. Jahrhun-
dert (Abb. 9). Nach übereinstimmenden Aussa-
gen haben die letzten Töpfer bis etwa 1885 ge-
arbeitet, selbst Herr Küster hat keinen mehr sein
Handwerk ausüben sehen.
Die Töpfer hatten das Recht, den Ton unent-
geltlich an beliebigen Stellen im Wald zu gra-
ben, wovon zahlreiche Entnahmestellen noch
heute zeugen.
Dem gleichen Gewährsmann zufolge wurde eine
bestimmte, in der Spätzeit besonders häufige
Gefäßsorte, nämlich hohe Vorratsgefäße, wegen
ihrer Beliebtheit in Polen auch als „pohlsche
pötte” bezeichnet. In Duingen nannte man
große Schalen „puhlsche Fäte”, weil sie offen-
bar vornehmlich in West- und Ostpreußen sowie
in Polen abgesetzt wurden (BÖKER 1956, 34).
Eine Anekdote aus Duingen mag hier ans Ende
gestellt — amüsant und doch aufschlußreich —
eine anschaulichere Vorstellung vom Topfhan-

2 Stephan

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