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Drescher, Hans
Materialhefte zur Ur- und Frühgeschichte Niedersachsens (Heft 19): Tostedt: die Geschichte einer Kirche aus der Zeit der Christianisierung im nördlichen Niedersachsen bis 1880 — Hildesheim: Verlag August Lax, 1985

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https://doi.org/10.11588/diglit.65790#0195
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ler aus dem Anfang des 17. Jhs., die wertvolle Kanzel von 1608 und das beachtliche sogenannte von
Weyhesche Legat, ebenfalls aus dem Jahre 1608. Ferner ist bekannt, daß von Anfang des 16. Jhs. an die
Familie von Weyhe im Chor der Tostedter Kirche ein großes Gestühl besaß sowie seit um 1500 ein Erbbe-
gräbnis und Anfang des 17. Jhs. nachweisbar Epitaphien. Es liegt die Vermutung nahe, daß auch der Altar
von der seit 1455 in Bötersheim ansässigen Familie von Weyhe gestiftet wurde, zumal der Begründer der
Bötersheimer Familie Erpo (Arp) eine bedeutende Persönlichkeit seiner Zeit war. Er war Erbherr auf Hol -
mansburg, Hauptmann der Städte Lübeck, Hamburg und Lüneburg und seit 1462 Pfandinhaber von
Weichbild und Vogtei Harburg (BARENSCHEER 1956; GROTEFEND 1882; 1886; KAUSCHE 1959; PEFFINGER
1732, 313—333).
Arp von Weyhe starb 1472. Daher möchte man annehmen, daß er das Begräbnis vor dem Altar (Gruft
Chor-Nord) anlegen ließ (vgl. Kap. 5.2.3.1). Denkbar, daß er oder seine bis 1487 nachgewiesene Witwe
Lucke den Auftrag für den Altar erteilt hat, die 1474 die Harburger Pfandsumme von der Stadt Lüneburg
zurückerhält.
Sollte W. Meynes letzte Datierung um 1490 zutreffend sein, könnte der Altar auch eine Stiftung für Lucke
von Weyhe sein. Diese späte Datierung ist aber nicht zwingend, denn das Schnitzwerk in Tostedt wirkt nur
infolge seiner Über- und Bemalung gröber als z. B. das jetzt farblose Altarfragment in Hamburg-Sinstorf,
das Meyne in die siebzigerJahre des 15. Jhs. datiert.
Inzwischen wurden einige Figuren des Tostedter Altars und das Sinstorfer Fragment dendrochronologisch
untersucht (KLEIN 1981). Leider ist bei keinen Stück Splintholz vorhanden gewesen, da es zum Schnitzen
ungeeignet ist. Der letzte erhaltene Jahresring des Tostedter , Jesus vor Herodes’ ’ datiert 1434, wobei min-
destens 15 bis 25 Jahre hinzuzuzählen sind. Für Sinstorf wird 1431 ± 15 bzw. 25 oder später angegeben.
Die Dendrochronologie liefert hier nur einen terminus post quem und kann wegen des fehlenden Splints
nicht zur Präzisierung der kunsthistorisch gewonnenen Daten beitragen.

12.4 Kanzel, 1608 (Taf 43, 2)
Die 1608 von H. Johann Wilken von Weyhe gestiftete und nach dem Zweiten Weltkrieg renovierte Kanzel
der alten Kirche wird heute in der neuen Kirche benutzt. Diese reich verzierte Kanzel weist neben dem Fa-
milienwappen von Weyhe den Namen des Stifters ,,H. JOHANN WILKENN VON WEIHE” auf. Sie
wurde zuerst 1868 von H. W. H. MlTHOFF erwähnt und von ihm 1877 etwas ausführlicher beschrieben (vgl.
Kap. 12.10). Eine Beschreibung und Ausdeutung der einzelnen Darstellungen erfolgte in den 20er Jahren
von Pastor BENTLAGE im Heimatboten für den Kirchenkreis Hittfeld (vgl. Kap. 14.8). Pastor BENTLAGE
weist daraufhin, daß die Kanzel unverändert aus der alten Kirche übernommen wurde und daß lediglich
am Aufgang eine Darstellung der Sintflut, die erhöhte Schlange undjonas mit dem Walfisch abhandenge-
kommen sei. Dieses dürfte schon 1851 geschehen sein, als nach Ausweis des Rechnungsbuches die gesamte
Kanzel abgenommen, renoviert und neu wieder aufgebaut worden ist (vgl. Kap. 14.6). Sonst wird die
Kanzel in den Rechnungsbüchern nicht wieder weiter erwähnt. 1738 wird lediglich ein neues Pult und
1821 eine Sanduhr angeschafft. 1742 heißt es in einem Revers, die Kirchenstühle der Familie von Weyhe
an der Nordseite im Chor betreffend, daß durch diese auch der Zugang zur Kanzel erschwert sei. Daraus ist
zu schließen, daß die Kanzel, wie noch heute, an der Nordseite des Chors angebracht war (vgl. Kap.
13.2.7).
Heinrich SCHULZ-EGESTORF (1952) entdeckte in den Protokollbüchern des Ausreuters und späteren Priors
Johann Wilken von Weyhe (1586—1618) vom Lüneburger Michaeliskloster die Rechnungsbelege der To-
stedter Kanzel. Es sind sowohl die von Johann Wilken von Weyhe mit den Bildhauern und Malern getrof-
fenen Verträge wie auch die einzelnen Abrechnungen vorhanden, die somit einen genauen Einblick in die
Entstehungsgeschichte dieser Kanzel von 1608 geben. Der Vertrag mit dem Bildhauer Lüdtke Garbers ist

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